Mit seinen »Erinnerungen eines Filmenthusiasten«, die mit zahlreichen Aquarellzeichnungen und farbigen Collagen illustriert sind, hat Helmut Pflügl ein Werk geschaffen, das nicht nur passionierte Kinogänger begeistern wird. Auch Fußballfans kommen auf ihre Rechnung, jedenfalls diejenigen unter ihnen, deren Freude an Lochpässen und Fallrückziehern sich mit einem leidenschaftlichen Interesse an gesellschaftlichen Zusammenhängen paart. Außerdem gewährt diese kunstlose, jedoch klug komponierte, ungemein unterhaltsame, dazu noch stringent erzählte Autobiografie einen Blick auf die Sozialgeschichte der Zweiten Republik und den Werdegang eines Menschen, der aus der sozialdemokratisch geprägten Provinz aufbricht, weit in der Welt herumkommt, aber nie dem Irrglauben verfällt, dass die Metropolen ansehnlicher und sehenswürdiger seien als die Peripherie.
Kino Leben ist nicht das einzige Buch des Autors, der 1943 in Steyr geboren wurde, in der oberösterreichischen Kleinstadt aufwuchs und die längste Zeit seines Lebens in Wien zugebracht hat. Er hat mehrere Sammelbände und DVDs herausgegeben, zum Beispiel über polnische Meisterregisseure, »Tito-Rebellen« im jugoslawischen Filmschaffen und das ungarische Kino des 20. Jahrhunderts. Wiener Cineasten sollte Pflügl schon deshalb ein Begriff sein, weil er für die Programmhefte des Filmarchiv Austria hunderte, wenn nicht tausende Ankündigungstexte verfasst und umfangreiche Werkschauen – unter anderem über Defa-Produktionen, das frühe sowjetische Kino, Filme aus den Balkanstaaten, Fußball- und Antikriegsfilme sowie immer wieder über sein Lieblingssujet, den kubanischen Film – gestaltet hat. Aber das lief, genau betrachtet, nebenher, denn eigentlich war er im Archiv 45 Jahre lang, weit über das Pensionsantrittsalter hinaus, für Katalogisierung, Kundenbetreuung und Recherchen verantwortlich. Diese lange Zeitspanne erklärt hinlänglich, warum sein Erinnerungsbuch sich auch als subjektive Geschichte des Filmarchivs lesen lässt, zumal Pflügl darauf bedacht ist, uns seine früheren Kolleginnen und Kollegen vorzustellen. In der Art, wie er das macht, erkenne ich den Menschen wieder, so wie er sich mir bei den knappen Einführungen zu den von ihm kuratierten Filmen eingeprägt hatte: nüchtern, zwanglos, ohne jeden Anflug von Eitelkeit oder Lobhudelei und in der Sprachfärbung unverkennbar seiner Geburtsstadt verbunden.
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