Das Dritte Lager gegen die Zweite Republik

von Benjamin Opratko

Illustration: Lou Kiss

Das rechte Dritte Lager prägte die Geschichte Österreichs nach 1945. Angeführt von der FPÖ unter Herbert Kickl, steht es heute kurz davor, das etablierte System zu sprengen.


2615 wörter
~11 minuten

Die Zweite Republik wurde schon vielfach beerdigt. Als im Frühling 1966 die ÖVP erstmals ohne SPÖ regierte, wurde ihr Ende kolportiert, ebenso vier Jahre später, als die SPÖ dasselbe ohne ÖVP tat. Manche Verfassungsjuristen sahen mit dem EU-Beitritt 1995 die Zweite Republik überwunden, der grüne Politiker Peter Pilz mit der schwarz-blauen Wenderegierung die »dritte Repu­blik« verwirklicht. Zuletzt schien Sebastian Kurz ihr Ende einzuläuten. Doch so beharrlich, wie die Zweite Republik totgesagt wurde, so beharrlich blieb sie bestehen. Ob sie aber eine von Herbert Kickl geführte Regierung überlebt hätte? Überleben wird?

Die Zweite Republik kam am 1. Mai 1945 zur Welt. Empfangen wurde sie, so heißt es landläufig, im Lager. Es gehört zur nationalen Folklore, dass die Zweite als verbesserte Republik entstanden sei, geschaffen aus der Einsicht in die Fehlerhaftigkeit der Ersten. Diese Einsicht hätten die Väter der neuen Republik – also die Repräsentanten des konservativen Bürgertums auf der einen, jene der Arbeiterbewegung auf der anderen Seite – gewonnen, als sie sich unversehens in der Diktatur der Dritten wiederfanden, in den Konzentrationslagern der Nazis. Der Hitlerfaschismus wurde als Strafe für den unversöhnlich ausgetragenen Klassenkonflikt der 1920er- und 1930er-Jahren verstanden, er habe Bürgertum und Arbeiterbewegung gleichermaßen in den Untergang geführt. In den Geschichtsbüchern der Gymnasien heißt es deshalb, die Republik sei wiederauferstanden im »Geist der Lagerstraße«. Das neue politische System sollte als Kompromissmaschine gebaut werden.

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