Samuel Stuhlpfarrer | Seit letztem Herbst hast du als Nachfolgerin von Oliver Rathkolb die Professur für Zeitgeschichte an der Universität Wien inne. Welche Bedeutung kommt diesem Lehrstuhl zu, und welche Pläne hast du?
Lucile Dreidemy | Die besondere Bedeutung dieser Professur sehe ich in der Kombination aus Geschichtspolitik und öffentlicher Vermittlung. Letztere ist hier vielleicht besonders ausgeprägt, weil Oliver Rathkolb in dieser Hinsicht so viel investiert hat. Die Verbindung dieser beiden Komponenten ist der Grund, warum ich den Beruf so gerne ausübe. Als Zeithistorikerin erscheint es mir extrem wichtig, weitere Kreise zu erreichen als nur die akademische Bubble. Ich freue mich sehr über den Austausch mit Kunst, Kultur, Schulen und Aktivist:innen. Gleichzeitig ist es eine Herausforderung, weil tatsächlich sehr viele Anfragen kommen. Ich habe nichts gegen eine sinnvolle öffentliche Präsenz. Ich möchte mir nur nicht Expertise anmaßen in Gebieten, die nicht meine sind. Mich haben zuletzt Anfragen zur Geschichte der FPÖ im Vergleich mit jener der AfD erreicht oder zur Universitätsgeschichte der 1930er-Jahre. In solchen Fällen finde ich es wichtig, mich ein bisschen zurückzunehmen, auch aus Respekt vor anderen Kolleg:innen, die sich mit diesen Themen schwerpunktmäßig beschäftigen.