Luciana Demichelis: Weltraumträume

von Christina Töpfer

»Bilder der Auseinandersetzung« 4|25

Luciana Demichelis, aus der Serie: The Earth Is a Satellite of the Moon, seit 2022. Material und Größe variabel.

Ohne dass sie unmittelbar wahrnehmbar wären, ist unser Alltag durch und durch von die Erde umkreisenden Satelliten geprägt. Sie gewährleisten den Fernseh-, Telefon- und Internetempfang, liefern Weltraumaufnahmen für Wetter- und Klimaprognosen, ermöglichen die Verortung mittels GPS oder werden für militärische Zwecke genutzt. Während das »Space Race«, der Wettstreit um technische Überlegenheit im All zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten im Zuge des Kalten Krieges, mit größter Aufmerksamkeit verfolgt wurde, ist über die Satellitenprogramme lateinamerikanischer Staaten nur wenig bekannt.

Luciana Demichelis setzt diesem Umstand ihre Serie The Earth Is a Satellite of the Moon (seit 2022) entgegen, für die sie scheinbar zeit- und schwerelose Aufnahmen zusammenbringt: von Radioteleskopen, nächtlichen, in kühlem Scheinwerferlicht aufgenommenen Landschaften, dem Sternenhimmel und von Personen, die so inszeniert sind, als wären sie bereit für ihre Reise ins Weltall. Inspiriert von der von Ursula K. Le Guin formulierten »Tragetaschentheorie des Erzählens«, die das Wiedergeben und Weitergeben von »Lebensgeschichten« über sogenannte »Killergeschichten« stellt, möchte Demichelis einen Raum der Imagination und des Träumens schaffen.

Mit der präzisen Inszenierung von Licht und Kleidung, der ausgewählten Orte wie auch selbst konstruierter vermeintlicher Satellitenbauteile gewinnen Demichelis’ in der Tradition dokumentarischer Fotografie aufgenommene Bilder einen symbolhaften, nahezu magischen Charakter. Die Künstlerin lädt die Betrachter:innen ein, mit ihr gemeinsam ein lateinamerikanisches Weltraumprogramm zu imaginieren, welches es nicht nur ermöglicht, unabhängig von den Internetdiensten des globalen Nordens zu agieren, sondern das auch auf einem starken Gefühl der Gemeinschaftlichkeit basiert.

Nicht zuletzt stellt sie mit The Earth Is a Satellite of the Moon die Frage, welche Rolle lateinamerikanische Länder (bisher) innerhalb des kollektiven, durchaus kolonial motivierten Traums von der Eroberung des Weltraums einnehmen und wie es um ihre jeweilige territoriale und konnektive Souveränität innerhalb eines Gefüges bestellt ist, das keine Ländergrenzen kennt.

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