In den Staub geworfen

von Jannik Eder

NACHDRUCK #17 | Der zurückliegende Nato-Gipfel wurde einzig von Donald Trump dominiert.


493 wörter
~2 minuten

Kurz nach Erscheinen des letzten TAGEBUCH fand im niederländischen Den Haag der Nato-Gipfel statt. Dort ging es um die Stärkung der Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten des Bündnisses. Und da unsere vergangene Ausgabe sich schwerpunktmäßig um »Argumente gegen Aufrüstung« drehte, lohnt es sich, darauf zurückzublicken, was beim Gipfel beschlossen wurde.

Zum einen ist tatsächlich der im Jänner vom US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump in seiner Residenz in Mar-a-Lago geäußerte Wunsch erfüllt worden, dass die Nato-Staaten fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung verwenden – genauer genommen 3,5 Prozent für Verteidigung im engeren Sinn, also etwa Ausgaben für Rüstungsgüter, und 1,5 Prozent für den Ausbau militärisch wichtiger Infrastruktur. Das Ziel soll bis 2035 erreicht sein.

Diese Einigung mag wenig verwunderlich sein angesichts der Aufrüstungs-Obsession vieler, auch europäischer Staatenlenker. Allerdings wies Ingar Solty im letzten TAGEBUCH bereits auf den im Lichte des Gipfels etwas paradoxen Umstand hin, dass in Europa stets betont werde, »dass man nicht für die USA aufrüsten müsse, sondern weil die USA unter Trump Europa ihren ›Schutzschirm‹ entzogen hätten«. Dafür, dass die Europäer also eigentlich aus Eigeninteresse aufrüsten und nicht, um Trump zu gefallen, haben sie dessen fünf Prozent nun recht freundlich durchgewunken. Denn es ist klar, dass Zahlenmagier Trump die Fünf in Mar-a-Lago mal eben aus dem Hut gezogen hatte – Hauptsache irgendetwas deutlich Höheres als die bis dato gültigen zwei Prozent. Nicht mal die USA selbst sind nah dran am Fünf-Prozent-Ziel.

Erstaunlich war auch, wie intensiv Trump in Den Haag rhetorisch umgarnt wurde. Wir erinnern uns: Nach dem »great television« im Oval Office, bei dem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von Trump und seinem Vize J. D. Vance vorgeführt wurde, war in Europa noch die Rede davon, dass die USA kein verlässlicher Partner mehr seien. Medial wurde die Nato schon zu Grabe getragen. Davon merkte man beim Gipfel wenig. Wer vor ein paar Wochen noch dachte, Europa würde im Umgang mit Trump Rückgrat zeigen, weiß nun, dass man sich fürs Buckeln und Honig-ums-Maul-Schmieren entschieden hat.

Besonders bemüht zeigte sich der ehemalige niederländische Premierminister und jetzige Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Er schrieb Trump im Vorfeld des Gipfels einen Huldigungsbrief, in dem er dem US-Präsidenten zu seinen »Erfolgen« gratulierte. »Ich danke dir für dein entschlossenes Handeln im Iran, das wirklich außergewöhnlich war und das sich sonst niemand getraut hat zu tun … Heute Abend fliegst du zu einem weiteren großen Erfolg in Den Haag … Europa wird auf GROSSE Art und Weise Geld ausgeben, so wie es sein sollte, und das wird dein Sieg sein.« Wenn man es nicht besser wüsste und die Gipfel-Ergebnisse nicht anderes zeigten, könnte man meinen, Rutte wollte Trump verarschen. Nein, der Nato-Chef versteht es nur meisterhaft, sich in den Staub zu werfen.

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