Wenn jemand sagt, er oder sie lese das TAGEBUCH von vorn bis hinten durch, ist das Impressum wohl selten mitgemeint. Es wäre auch gar nicht angemessen, die Übergabe der Chefredaktion nur im Kleingedruckten zu vermerken, und so ist diese Spalte einmal mehr der Ort für Neuigkeiten aus dem TAGEBUCH-Maschinenraum.
Samuel Stuhlpfarrer hat die Redaktion geleitet, seit das Tagebuch 2019 neu gegründet wurde – was angesichts des polymorphen Krisen-Clusterfucks namens Gegenwart ein ambitioniertes, im besten Sinne idealistisches, durchaus wahnwitziges Projekt war. Wenig später stiegen die Kosten für Papier; dann kam die Pandemie und damit die Einschränkung des stationären Handels, der für den TAGEBUCH-Vertrieb so wichtig ist. Und schließlich dräute die Teuerung, die nicht einmal vor der Tasse Kaffee im Büro Halt gemacht hat. Parallel dazu wuchs die Zahl der Abonnent:innen zwar stetig, aber nicht schnell genug, um langfristig für stabile Finanzen zu sorgen. Um unter derart unbarmherzigen Bedingungen ein Heft machen zu können, ein entschlossen linkes obendrein, dafür braucht es neben guten Ideen und überdurchschnittlichem Durchhaltevermögen wohl auch eine viel zu selten anzutreffende Sorte Persönlichkeit. Wir haben Samuel als beherzten, unbeirrbaren und klugen Kollegen zu schätzen gelernt. Und als loyalen Freund, den nichts so glücklich macht wie gemeinsam auf ein Bier (oder eine stattliche Menge Tapas) zu gehen. Höchstens vielleicht ein Ausflug zum Wurstelprater: als wäre der Redaktionsalltag nicht schon Achterbahnfahrt genug.
Als Samuel vor ziemlich genau drei Jahren den Walther-Rode-Preis (verliehen für »qualitätsvolle und vom tagespolitischen Opportunismus unbeeinflusste Haltung im Journalismus«) erhielt, standen die Gratulant:innen Schlange. Was für eine schöne Gelegenheit, endlich jemanden zu feiern, der die Bühne sonst so gern und großzügig anderen überlässt.
Nun ist also das Ende von Samuels Zeit als Chefredakteur gekommen, das, und das ist keine Floskel, den Beginn einer neuen gemeinsamen Zeit markiert. Es ist ein großes Glück, dass Samuel dem TAGEBUCH als Herausgeber und Geschäftsführer erhalten bleibt. Und es ist ebenfalls ein Riesenglück, dass Benjamin Opratko, Gründungsmitglied der Redaktion, nun zum Chefredakteur berufen wurde und von dieser Ausgabe an für die Inhalte des TAGEBUCH verantwortlich zeichnet, während Samuel die wirtschaftlichen Geschicke lenkt.
Diese neue Gewaltenteilung im Hause verheißt, neben ausgeglicheneren Arbeitszeiten für alle, auch bessere Checks and Balances. Es gab die letzten Jahre viele Lichtblicke, aber allzu selten Grund für waschechten Optimismus. Dass wir noch da sind und dass das TAGEBUCH trotz allem solch eine glänzende Zukunft vor sich hat, verdankt sich dem alten und dem neuen Chefredakteur gleichermaßen. Lieber Samuel und lieber Benni, danke für alles, was war, ist und kommt. Wir sehen uns im Büro – oder auf dem Kettenkarussell!
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