Faszinosum Bergbau

von Iuditha Balint

KRITIK & ZÄRTLICHKEIT #13 | Das Heraufbefördern von Metallen und Materialien wurde in der Literatur ambivalent betrachtet.

In der Philosophie der Offenbarung (1841/42) hebt Friedrich Schelling hervor, dass Münzgeld schon in der griechischen Mythologie »als Zeichen des bürgerlichen Verkehrs und des privaten Besitzes« gilt. Aus Gold, Silber und anderen Metallen geprägt, stehen Münzen jedoch auch für das an die Oberfläche beförderte anorganische Erdinnere. 

Das Heraufbefördern von Metallen und Mineralen wurde im Lauf der Jahrtausende ambivalent betrachtet. Zeugnisse dafür, dass der Bergbau in der Antike und im Mittelalter vor allem moralisch nichts Gutes bedeutete, finden sich etwa in Ovids Metamorphosen (ca. 1–8 n. Chr.): So etwa, wenn dort vom »schädliche[n] Gold« die Rede ist, das »aus dem Eingeweide der Erde« stammend »die Menschen mit einer so verfluchten Begierde entzündet, dass sie alles Recht, Ehrbarkeit, Treu und Aufrichtigkeit verjaget, an deren Stelle lauter List und Betrug, Hinterstellungen und böse Begierden sich eingeschlichen«, wie es Agrippa von Nettesheim in seinem Bestseller Ungewissheit und Eitelkeit aller Künste und Wissenschaften (1530) übersetzt. Auch Umweltbelastungen bleiben nicht unerwähnt: In Paulus Niavis’ Gericht der Götter über den Bergbau (ca. 1495) klagt die vom Menschen sichtlich malträtierte Erde tränenüberströmt über die Verwüstungen an ihrem Körper und zeugt vom Legitimationszwang des Bergbaus in der Entstehungszeit des Textes. 

Die Rezeption des antiken und mittelalterlichen Bergbaudiskurses in der deutschen Romantik ist mehrfach beschrieben worden. Die Romantik unternimmt aber einen Turn, bei ihr materialisiert sich im Inneren der Erde, in Schächten und Bergwerken die Vorliebe für das Künstliche, Verborgene, Unbewusste. Der Gang in ein stillgelegtes Bergwerk in Novalis’ Roman Heinrich von Ofterdingen (1802) steht zum Beispiel für Selbsterkenntnis und Subjektwerdung der Titelfigur. Das ist das absolute Gegenteil von Platons Höhlengleichnis: Im Erdinneren warten Erkenntnis und Wissen auf Heinrich. Kein Wunder also, dass auch die Gegenwartsliteratur unentschieden ist über den Status des Bergbaus als Fluch oder Faszination. Nur die Dichterin Ilse Kibgis entscheidet sich für sachliche Melancholie: »nur bei den Bergleuten / im Bauch der Erde / ist immer / November«, schreibt sie undatiert.

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