Von Rechten lernen?

von Simon Nagy

NACHDRUCK #19 | Über eine Frage, die bei der Release-Veranstaltung des letzten TAGEBUCH aufgeworfen wurde.

Wer die Aufnahme der Release-Veranstaltung des letzten TAGEBUCH zum Thema »Feindbild Transgender« nachhört (was im Rahmen des neuen TAGEBUCH-Podcasts möglich ist), bekommt vielleicht gar nicht mit, wie brechend voll der Veranstaltungsort, das Depot in Wien-Neubau, war. Aus Freude sei das hier deshalb in aller bescheidenen Kürze angemerkt. Sehr wohl übersetzt sich im Mitschnitt aber ein Widerspruch, der auf dem Podium aufkam, doch zwischen die Sessel fiel und der es mir deshalb wert scheint, aufgegriffen zu werden.

Juliana Gleeson charakterisierte zunächst rechtes Denken als stets den kürzesten Weg von A nach B nehmend: Komplexitäten einebnend, Vielheit verachtend, Widersprüche leugnend, um dadurch Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit vorzugaukeln. In der Praxis manifestiere sich das im Entrechten und Vernichten von Menschen, deren bloße Existenz einem autoritär organisierten Weltbild ein Dorn im Auge sei. Zu einem späteren Zeitpunkt in der Diskussion meinte Kian Kaiser, dass sich die Linke in Sachen Strategie ein paar Scheiben von den Rechten abschneiden könne – vor allem, was Erfolge in der Mobilisierung sowie bei sprachlichen Setzungen anlange. So schlug er vor, eigene Begriffe zu prägen: etwa nicht länger von »Transfeind:innen« zu sprechen (als wäre »trans« etwas, das Feindschaft vielleicht selbst prozoviere), sondern von »Transleugner:innen«.

Letzterem Vorschlag ist nur zuzustimmen. Und doch entsteht im Zusammendenken der beiden Argumente Reibung. Denn: Wenn rechtes Denken auf der Einebnung von Komplexität aufbaut und linkes auf Ambiguitätstoleranz beharrt – was für Lehren sind es dann, die sich aus rechter Politik ziehen lassen? Ist es die reine Effektivität ihrer Organisation, die inspiriert? Darauf würde ich entgegnen, dass sich emanzipatorische Inhalte nicht von den mit ihnen gemeinsam erkämpften Formen trennen lassen; dass wir uns doch dezidiert nicht autoritär, stramm und hierarchisch organisieren wollen.

Beim Zusammenstehen nach der Diskussion schlug eine befreundete Person eine Lesart dieses Widerspruchs vor, die ihn in eine mir ganz unerwartete Richtung hin auflöste: als Vorschlag, dass die Linke ruhig auch weniger Angst vorm strategisch Unkomplexen haben dürfte. Auf anspruchsvolles Denken, Analysieren und Kritisieren zu pochen, dürfe nicht zu einer Angst führen, glasklar kommunizier- und vermittelbare Forderungen zu entwickeln. Gegenüber Transleugner:innen zum Beispiel ließe sich schlicht und einfach dafür einstehen, dass alle Menschen ihr Geschlecht so leben können sollen, wie sie es wollen. Das ist keine komplexe Position. Die Analysen rundum sind vielschichtige, einander widersprechende und im besten Sinne plurale. Unbedingte Solidarität hingegen kann manchmal auch eine ganz simple Sache sein.

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