Migration und prekäre Arbeit
von Anita Heindlmaier
»Österreicher findest’ für die Arbeit keine«
EUR 22,90 (AT), EUR 22,90 (DE), CHF 25,90 (CH)
Skandale während der Covid-Pandemie – etwa bei Hygiene Austria rund um Vorwürfe der Schwarzarbeit und des gewerbsmäßigen Betrugs – haben die Aufmerksamkeit unter anderem auf die prekären Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gelenkt, unter denen insbesondere Migrant:innen häufig arbeiten. Doch auch abseits dieser Skandale zeigt sich, dass für viele Migrant:innen in Österreich »Ausbeutung auf Bestellung« Alltag ist – so Thema und Titel des Buches von Johannes Greß.
Ausgehend von Berufsporträts aus Bereichen wie der Paket- und Essenszustellung, der Plattformreinigung und der Forstarbeit beleuchtet der Journalist Greß in einem ersten Teil Branchen, in denen zunehmend Migrant:innen arbeiten. Dabei gibt es Unterschiede hinsichtlich der Beschäftigungsverhältnisse – von Subunternehmen(sketten) über Scheinselbstständigkeit hin zu un(ter)dokumentierter Arbeit. Gemeinsam ist dieser Arbeit jedoch, dass sie atypisch und oft prekär ist.
Während die Mehrheitsgesellschaft in Österreich davon zu profitieren scheint, dass migrantische Arbeitskräfte billige Produkte herstellen oder Dienstleistungen anbieten, zeigt Greß zunächst, dass den Preis dafür in erster Linie die Menschen zahlen, die diese Arbeit verrichten. Das Buch nimmt auch eine intersektionale Perspektive ein, indem es darauf hinweist, dass Karrieren von Frauen in Österreich häufig auf der Auslagerung von Hausarbeit an Migrantinnen beruhen, die sich dabei häufig in einer besonders prekären Lage wiederfinden. Soziale Ungleichheit wird so reproduziert. »Bei Lohn- und Sozialdumping handelt es sich einerseits um eine klammheimliche Umverteilung von unten nach oben. Andererseits wird die Verantwortung von oben nach unten abgegeben«, zum Beispiel wenn Tätigkeiten an Subunternehmen ausgelagert werden. Letztlich komme für nicht abgeführte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge die Gesellschaft als Ganzes auf.
Weiters erschweren die Aufsplitterung der Belegschaften (zum Beispiel durch Leiharbeit) und die Prekarisierung der Arbeit eine Solidarisierung und Interessenvertretung unter den Beschäftigten. Infolgedessen werden Arbeitskämpfe oftmals nicht mehr vertikal gegen die eigentlichen Profiteur:innen prekärer Arbeit wie Unternehmenseigner:innen, sondern unter den Beschäftigten geführt. Im zweiten Teil des Buches wirft Greß auch einen kritischen Blick auf die institutionelle Ebene der Interessenvertretung. Dabei verweist er auf die traditionelle Ausrichtung gewerkschaftlicher Strukturen auf den weißen, österreichischen Mann im »Normalarbeitsverhältnis«.
Dass migrantische Beschäftigte trotz der strukturellen Barrieren eine gewisse Handlungsmacht innehaben, betont Greß im dritten Teil. Er plädiert für Bündnisse zwischen prekär Arbeitenden, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen – wie sie auch von Sozialwissenschafter:innen weltweit, unter anderem von Nancy Fraser, gefordert werden. Greß betont zudem, dass man auch weitere Lebensbereiche berücksichtigen müsse, um Kontrolle und Disziplinierung von migrantischen Beschäftigten zu verstehen – beispielsweise unsichere Aufenthaltsrechte, eingeschränkten Sozialleistungszugang sowie Diskriminierung am Arbeitsmarkt.
Greß’ Buch bietet eine eindrückliche Übersicht und Einordnung von Machtdynamiken und der Prekarisierung migrantischer Arbeit in Österreich. Dabei legt es Missstände offen, die dringend behoben werden müssen.
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