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»Vielleicht ist Österreich im Herbst durch nichts so verheerend bestimmt wie durch den Zwang zur falschen Alternative«, schrieb Karl-Markus Gauß Ende 1988 zur Debatte um die Premiere von Thomas Bernhards Heldenplatz an der Wiener Burg. Den »Zwang zur falschen Alternative« kennt man auch im Herbst 2019. Auf politischer Ebene – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern darbt die Linke hierzulande in der Bedeutungslosigkeit –, aber auch in der Publizistik. In Ermangelung einer linken Position in der österreichischen Medienlandschaft und angesichts des schier unaufhaltsamen Durchmarschs menschenfeindlicher Haltungen in die Mitte der Gesellschaft ist schon die leiseste Kritik daran, und sei sie noch so einfältig, höchst willkommen.

Aufgeschrieben hat Gauß diesen Satz für eine der letzten Ausgaben des mittlerweile weithin vergessenen Wiener Tagebuch. Mehr über diese unorthodox linke Zeitschrift, die unter unterschiedlichen Namen und Eigentümerinnen von 1946 bis 1989 bestanden hat, lesen Sie in dieser Ausgabe in unserer Rubrik Tagebuch im Tagebuch auf Seite 58. Obendrein lässt sich darin auch bislang wenig Bekanntes über den österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen erfahren.

Dass wir uns den Namen TAGEBUCH gewissermaßen angeeignet haben, ist daher kein Zufall, es ist die bewusste Aufnahme einer Traditionslinie. Ob der Versuch, diese Zeitschrift neu zu beleben und in die Zeit zu setzen – angemessen, nicht anmaßend – gelungen ist, obliegt Ihrem Urteil.

Mit dieser Ausgabe liegt dafür eine erste Grundlage vor – eine Zeitschrift für Auseinandersetzung, wie es im Untertitel heißt, im vielschichtigen Sinne des Wortes: Im kultivierten Meinungsstreit im Rahmen unserer achtseitigen Debattenstrecke (Seite 6 bis 13), in der Beschäftigung mit und der grafischen Ordnung von Zeitfragen, die wir in Kooperation mit dem Katapult Magazin (Seite 14/15) anrichten, und – durchgängig – in der Offenlegung gesellschaftlicher Verhältnisse. Das erfordert auch eine formale Vielfalt, die von hintergründigen Analysen über gut erzählte Reportagen und Langstrecken bis hin zu einem verstetigten Rezensionsteil reicht.

In dieser Ausgabe sorgen dafür, um nur einige zu nennen, so unterschiedliche Autorinnen und Autoren wie Olja Alvir, Andrea Heinz, Tyma Kraitt, Karsten Krampitz, Carmela Negrete, Richard Schuberth oder Max Zirngast. Ein besonderes Glück ist uns der Beitrag von Erich Hackl, einem weiteren früheren Redaktionsmitglied des Wiener Tagebuch. Ein fast größeres noch, dass beide, Karl-Markus Gauß und Erich Hackl, sich bereit erklärt haben, künftig in diesem nun neuen TAGEBUCH schreibend in Erscheinung zu treten.

Um dieses Projekt an den Start zu bringen, waren etwas mehr als 40.000 Euro nötig. Hinter dieser Summe steht kein großer Verlag, keine Partei, keine Institution und schon gar nicht die öffentliche Hand, sie wurde über den Erlös von Anzeigenverkäufen und von privaten Spenderinnen und Spendern aufgebracht – mit einer Ausnahme, die wir aus Transparenzgründen auch nennen wollen: Die RD Foundation – Research | Development | Human Rights hat dieses Projekt mit einer Anschubfinanzierung unterstützt. Ihr und allen anderen Geldgeberinnen und Geldgebern gilt unser Dank.

In der Hauptsache ist dieses allererste TAGEBUCH aber aus der Bereitschaft zu Verausgabung und Verzicht gemacht. Das gilt für die Redaktion genauso wie für Christoph Kleinstück, aus dessen Hand sämtliche Illustrationen stammen. Vor allem aber trifft es auf den Gestalter dieses Heftes Christian Wiedner zu. Er hat in enger Zusammenarbeit mit der Redaktion und in mühseliger Kleinarbeit dieser Zeitschrift jenes Gesicht gegeben, das sie heute trägt.

Um das TAGEBUCH nachhaltig zu etablieren, wollen wir in den kommenden acht Wochen rund 1.500 Abonnentinnen und Abonnenten gewinnen. Ist dieses Ziel erreicht, erscheinen wir ab Februar 2020 regelmäßig. Dabei sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Wenn Ihnen diese Ausgabe gefällt, dann zeichnen Sie doch ein Abonnement, empfehlen Sie uns weiter, werben Sie für uns. Wir werden es Ihnen danken – mit einer Zeitschrift für Auseinandersetzung, zehn Mal im Jahr, links und unabhängig; mit einer richtigen Alternative in einer Zeit, die sich bisweilen falscher nicht anfühlen könnte.

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