Wir üben uns in diesen Tagen in der Anerkennung der Leistungen von Supermarktangestellten, Pflegerinnen in Heimen, von Heimhilfen in der 24-Stunden-Pflege, von Reinigungspersonal, Lieferanten oder Erntehelfern. In diesen Beschäftigtengruppen sind die Löhne niedrig und die Bedingungen oft prekär, der Anteil an Migrantinnen und Migranten ist besonders hoch. Die Ausnahmesituation der Corona-Krise lässt uns diese Tätigkeiten schlagartig als »systemrelevant« wahrnehmen, die Menschen in diesen Jobs als »Helden« würdigen. Wir hören zu, wenn über ihre Arbeitsbedingungen berichtet wird, über ihre Einkommenssituation, die Vereinbarkeitsherausforderungen und die Einreisemodi ausländischer Beschäftigter.
Bis vor kurzem war die Aufmerksamkeit für die Erwerbstätigen in diesen Sektoren enden wollend. Es herrschte eine Mischung aus Desinteresse und Dienstherrengehabe. Teile der politischen und ökonomischen Eliten zeigten eine Haltung und Politik der Verachtung, von Gesellschaftsbeobachtern wie Wilhelm Heitmeyer mit »roher Bürgerlichkeit« bezeichnet: Ausdehnung der Arbeitszeit, Missbrauch des Status »Neue Selbständige«, Indexierung der Familienbeihilfe für Pflegerinnen, höchste Ansprüche an die Mobilität der Gastronomie- und Tourismus-Arbeitskräfte, niedrigste Einkommen in der Pflege. Mehr Anerkennung? Weniger Sozialrassismus? Weniger Sanktionen in der »Hängematte Erwerbslosigkeit«? Na geh, wie wehleidig! Zumindest diese Art von Rhetorik ist aktuell verstummt. Unterdessen wird vielerorts ein befristetes Grundeinkommen gefordert. Viele Menschen erleben, dass binnen kürzester Zeit ihr eigenes Einkommensmodell, das ihrer Lebenspartnerinnen, Freunde oder Bekannten einbricht. Auch bislang Skeptische finden Gefallen am Grundeinkommen, weil es ihnen persönlich am meisten helfen würde.
In Ordnung. Setzen wir uns für ein befristetes Grundeinkommen ein, um die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie einzudämmen. Aber vergessen wir nicht: Die Skepsis gegenüber dem Grundeinkommen hatte oft mit der Besorgnis zu tun, ob dann noch jemand die schlecht bezahlte, wenig anerkannte Erwerbsarbeit macht. Die jetzige Heroisierung der Leistungen dieser Berufsgruppen ändert nichts an deren gesellschaftlicher Stellung, auch ein befristetes Grundeinkommen tut das nicht.
Ist die Corona-Krise erst einmal vorbei, gilt es daher dranzubleiben: an der Umsetzung eines bedingungslosen Grundeinkommens als Baustein unseres Sozialstaates, das dauerhaft und in existenz- und teilhabesichernder Höhe allen garantiert ist! Dann sind auch die Chancen der »Heldinnen und Helden des Alltags« gestärkt.
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