Eine Lektion in Geschichte
von Martin Reiterer
EUR 34,95 (AT), EUR 34,00 (DE), CHF 48,00 (CH)
Wie lässt sich Erinnerung zeichnen? Das Leben ist kein Strich. Der italienische Zeichner Davide Reviati hat mit Dreimal spucken einen Comicroman vorgelegt, in dem er nicht allein das Aufwachsen in der italienischen Provinz der 1970er und 1980er Jahre schildert. Während die Stančičs, die es nach dem Zweiten Weltkrieg von Slowenien ins Hinterland von Rimini verschlagen hat, in einem Schuppen am äußersten Rand der Gesellschaft dahinexistieren, holt der Autor die Sinti-Familie ins Epizentrum seiner bebenden Erinnerungen und Reflexionen.
Der Comic erzählt von Guido und seinen Freunden, von einer Kindheit zwischen Geheimnis und Unheimlichem, einer Jugend zwischen Joints und Alkohol, Sitzenbleiben und Frustfeiern. Da ist das »Feld der Wunder«, in dem die Kinder allerlei Fundstücke entdecken und eines Tages einen Schädel. An der Welt der Erwachsenen entzaubert sich die der Kinder: »Hier gibt’s keine Wunder.« Hinter deren Rauheit verbirgt sich anderes: ein Hasenschädel? Auch Kinder erkennen den Unterschied zwischen dem Schädel eines Hasen und eines Kindes. Und dann ist da Loretta, das Sinti-Mädchen. Auch von ihr geht ein Zauber aus. Wenn der zerfällt, ist sie nur noch die Verrückte. Ihre Familie ist nach Italien gekommen, weil die Menschen dort an Gott glauben. Doch diese Gemeinschaft stellt keine wirksame Verbindung her. Die Ablehnung der Sinti ist allgegenwärtig. Die Heranwachsenden saugen sie samt Vorurteilen, Klischeebildern und rassistischen Stereotypen widerstandslos auf.
Inzwischen sind die Jungs an der technischen Oberschule: »Immer das Wasser bis zum Hals.« Schwänzen, zweimal hintereinander durchfallen. Dazwischen Billardspielen. »Sollte ich mich an etwas erinnern, dann an das Lachen. Gelächter. Gelaber.« Scham und Sprachlosigkeit, geprägt durch bestimmte Bilder von Männlichkeit, verstecken sich dahinter. Guido bemerkt den Verrat, an dem er selbst mitwirkt.
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