Dass Geschichtspolitik ein Kampffeld um intellektuelle und wissenschaftliche Redlichkeit ist, wurde in Österreich letztmals bei der Ende 2019 begonnenen Debatte um die ausstehende Erneuerung des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien (HGM) deutlich. Die Pressemeldungen zeugen von einer regelrechten »Zerlegung« dieser Institution – wie es etwa ein Artikel in den Oberösterreichischen Nachrichten nahelegt –, Begriffe wie »skandalös«, »unter Beschuss«, »durchgefallen« oder auch Betitelungen wie »militärisches Kuriositätenkabinett«, »Verteidigungsmuseum«, »Firmenmuseum des Bundesheeres«, »Rumpelkammer« häufen sich – nicht zuletzt seit der Rechnungshof (RH) seinen Bericht in der Causa vorlegte.
Die mediale Aufmerksamkeit lenkt beinahe von der Tatsache ab, dass es beim HGM nicht nur Mängel aus juristischer, ökonomischer und politisch-institutioneller, sondern zuallererst aus wissenschaftlich-kuratorischer Sicht gibt. Kaum ein anderes österreichisches Museum bietet so viel Stoff für grundlegende Überlegungen zur Frage nach der musealen Darstellung von staatlicher Gewalt, Krieg, Militär, und kaum ein anderes Museum hat die notwendige Gewissenhaftigkeit in Bezug auf Bewahrung, Beschaffung und Ausstellung von Museumsobjekten so sehr vermissen lassen.
Das grundlegende Problem dieses Museums beginnt bei der Definition seiner Leitideen und Ziele, insbesondere da es wegen seiner institutionellen Verankerung eine erhebliche Verantwortung trägt. Es befindet sich zwar im Bundesbesitz, ist aber nicht an die Bundesmuseen angegliedert, sondern untersteht, und dies macht es zu einer Besonderheit, direkt dem Verteidigungsministerium. Somit erfüllt es nicht nur eine Repräsentationsfunktion für die Republik Österreich, sondern auch für das österreichische Bundesheer. Es wurde nicht zufällig als »letztes großes Staatsmuseum«, als »historisches Nationalmuseum von internationaler Dimension« oder als ein »heimliches Nationalmuseum« bezeichnet.
Die konservative Ausrichtung des Museums ist durch die Geschichte des Hauses bedingt. Es wurde 1869 als k. k. Hofwaffenmuseum gegründet und schließt sowohl architektonisch als auch in seiner inhaltlichen Ausrichtung bis heute an das Erbe der Monarchie an. Daran wird seit geraumer Zeit Kritik geübt. So thematisierten etwa Hannes Leidinger und Verena Moritz schon 2011, dass im Museum die Abschnitte über Republik und Diktatur in eine Reihe mit der Militärgeschichte der Monarchie gestellt werden: »Gebäude und Sammlungen des Arsenals ließen und lassen sich in seiner Gesamtheit als museales Objekt verstehen, das überkommene Herrschaftsstrukturen und antiquierte Geschichtsbilder verkörpert.«
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