Wir haben die Aufholjagd im Klimaschutz gestartet.« Wie ein Mantra trägt Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) diese Worte vor sich her. Nach 30 Jahren Stillstand unter einem ÖVP-geführten Umweltministerium steckt durchaus Wahrheit in diesem Satz. Noch rechtzeitig vor der Weltklimakonferenz brachte die Ministerin das Klimaticket auf den Weg und verhandelte eine Steuerreform mit CO2-Preis. Wahr ist aber auch: Diese Schritte reichen bei weitem nicht aus, um Österreich auf 1,5-Grad-Kurs zu bringen. Das Land steht damit nicht alleine da. Nimmt man die Klimaschutzpläne aller Staaten zusammen, rasen wir auf eine Erhitzung der Erde von 2,4 Grad zu. Das konstatierten die Vereinten Nationen kurz vor dem Gipfel. Die UN-Konferenz in Glasgow hätte die große Wende bringen sollen: Verbindliches Nachbessern der nationalen Klimaschutzpläne, mehr Geld für die Länder des globalen Südens, echte CO2-Reduktion statt Zertifikatehandel. Zwar wurde das 1,5-Grad-Ziel bestätigt und die nationalen Klimapläne sollen nochmals überarbeitet werden, ansonsten aber hatte die Lobby der fossilen Industrie die Staatengemeinschaft fest im Griff. Tatsächlich gebracht hat der Gipfel vor allem leere Worte: eine weitere Runde »Blablabla«, wie die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg den Delegierten entgegenrief.
Uns bleiben nur mehr neun Jahre, um die klimaschädlichen Emissionen weltweit zu halbieren und damit Klimakatastrophen zu verhindern. Wenn wir so weitermachen wie bisher, hat das fatale Folgen: Bei einer Erderhitzung von 2,4 Grad nehmen die Wetterextreme massiv zu und damit Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen. Der Meeresspiegel steigt an und ganze Küstenstriche werden geflutet. Millionen Menschen werden ihre Heimat verlieren und zur Flucht gezwungen. Tier- und Pflanzenarten werden in Massen aussterben. Doch damit nicht genug. Wenn wir die Erderhitzung nicht in den Griff kriegen, geraten die Temperaturen völlig außer Kontrolle, sobald wir die sogenannten Kipppunkte erreichen – also das Polareis schmilzt und die Sonnenstrahlen nicht mehr reflektiert, sondern absorbiert werden, der Amazonas-Regenwald zerstört ist und kein CO2 mehr bindet, oder die sibirischen Permafrostböden auftauen und die über Jahrtausende gebundenen Treibhausgase entweichen.
Die Vertreterinnen und Vertreter von über 190 Staaten, die in Glasgow zusammengekommen sind, waren sich der nahenden Katastrophe bewusst. Und doch reichte das Szenario des Untergangs der Menschheit nicht aus, um dem Unheil Einhalt zu gebieten. Absichtserklärungen gab es zuhauf: die Zerstörung der Wälder stoppen, den Methanausstoß deutlich reduzieren oder aus der Kohle aussteigen. Ihnen ist eines gemein: Es sind Absichtserklärungen ohne ambitionierte Ziele, ohne verbindliche Formulierungen, ohne Kontrollen, ohne Strafen. Und damit bleiben sie wie die Lippenbekenntnisse der Vergangenheit ohne reale Folgen. Ein »Greenwashing-Festival des globalen Nordens«, nannte Greta Thunberg den beeindruckenden Schaulauf.
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