Gefühl und Patriarchat

von Jana Volkmann

440 wörter
~2 minuten
Gefühl und Patriarchat
bell hooks
Männer, Männlichkeit und Liebe
Der Wille zur Veränderung
Aus dem amerikanischen Englisch von Daphne Nechyba. Elisabeth Sandmann Verlag, 2022, 200 Seiten
EUR 20,60 (AT), EUR 20,00 (DE), CHF 28,90 (CH)

Die im vergangenen Dezember verstorbene bell hooks war eine der wichtigsten Denkerinnen intersektionaler, antirassistischer feministischer Theorie. »bell hooks saved our lives by helping to articulate the oppressions we faced as women, as Black people«, hieß es in einem Nachruf im Ms. Magazine. Dass diese Arbeit und dieser Kampf andauern, zeigt auch bell hooks’ bereits 2004 geschriebenes, nun durch Daphne Nechyba erstmals auf Deutsch übersetztes Buch Männer, Männlichkeit und Liebe. Der Wille zur Veränderung.

Wie gelingt ein gutes Leben jenseits patriarchaler Strukturen, die nicht nur Frauen unterdrücken, sondern auch Männer in Rollen zwingen, die ihre Freiheit und ihre Fähigkeiten beschränken? Für bell hooks liegt ein entscheidender Schlüssel darin, Männern einen Zugang zu ihren unterdrückten, sublimierten, abgespaltenen Gefühlen zu ermöglichen. Wenn das Buch aus heutiger Sicht ein wenig »alt« wirkt, so liegt das sicher nicht am Inhalt. Was toxische Männlichkeit ist, ist seither dank groß angelegter Debatten wie jener um #MeToo schließlich verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung gerückt, im deutschsprachigen Raum vielleicht überhaupt erst in den feministischen Grundwortschatz aufgenommen worden. Die jüngere Häufung von Femiziden in Österreich ist ein weiteres bedrückendes Beispiel dafür, dass die Auseinandersetzung mit männlicher Gewalt noch immer dringend notwendig ist. 

Eher schon ist es das intellektuelle Herangehen bell hooks’, das heute aus der Mode geraten scheint: Sie schreibt über weite Strecken anekdotisch, extrapoliert Beobachtungen und Wahrnehmungen und räumt subjektiven Erfahrungen einen Platz in der ersten Reihe ein – während empirische Daten oder Studien kaum eine Rolle spielen. Das hat auch seine starken Seiten. So macht sie die emotionale Deprivation im Patriarchat deutlich und dekliniert durch, welche Implikationen es hat, wenn Männer in einer Gesellschaft weder Verletzlichkeit noch Schmerz zeigen können: »Als Verfechter:innen des Feminismus, die Sexismus und sexistische Unterdrückung beenden wollen, müssen wir bereit sein, Männern zuzuhören, wenn sie über ihren Schmerz sprechen. Nur wenn wir uns mutig dem männlichen Schmerz stellen, ohne uns abzuwenden, werden wir Männern das emotionale Bewusstsein vermitteln, das zur Heilung erforderlich ist.« Auch wenn der Wunsch nach mehr »exakter« Wissenschaft, mehr Zahlen und Empirie, verständlich wäre: bell hooks’ Theorien über die destruktive Macht des Patriarchats (und was es ihm entgegenzusetzen gilt) sind noch immer aktuell, noch immer dringlich. Ein Problem, das die Autorin in einem Kapitel über Popkultur, Medien und Männlichkeit auf den Punkt bringt: Feministische Literatur erreicht kaum ein männliches Publikum. Diesem Buch ist zu wünschen, dass es auch von Männern gelesen wird. Es wäre schließlich in ihrem eigenen Interesse.

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