Mythos Enzensberger

von Ingar Solty

Hans Magnus Enzensberger ist tot. Das Feuilleton und die politische Klasse üben sich in Superlativen.

Er habe »als einer der weltweit bekanntesten deutschen Intellektuellen« gegolten, schreibt der Spiegel. Er habe »den Diskurs in Deutschland geprägt wie kaum jemand sonst«, gibt Helmut Böttiger in der Zeit zu Protokoll. Und Paul Ingendaay fügt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hinzu: »Einen wie ihn gab es noch nicht und wird es wohl auch nicht wieder geben.« Ja, mit seinem Essayband Einzelheiten habe Enzensberger 1962 »das Fach des ›kritischen Intellektuellen‹« besetzt, »und zwar lange Zeit auf einsamer Höhe«, schreibt Jochen Schimmang in der Taz, als ob es zu dieser Zeit keine Adornos, Abendroths, Blochs, Koflers, Hannah Arendts und Viktor Agartz gegeben hätte. Er sei »eine intellektuelle Instanz«, schrieb Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Kondolenzschreiben an Enzensbergers Witwe Katharina und attestierte dem Büchner-Preisträger eine »unerschöpfliche Originalität«. Der bayrische Kunstminister Markus Blume (CSU) würdigte Enzensberger als »einen der bedeutendsten Intellektuellen und politischen Denker Deutschlands«, unisono mit der Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), die von einem »der vielseitigsten und bedeutendsten deutschen Intellektuellen« sprach. Selbst das ostdeutsche ND hob Enzensberger in die Stratosphäre, indem es die gesamte deutsche Literatur, gesprochen wird nur von der westdeutschen, in den Kohlenkeller verbannte: »Was in der Nachkriegszeit im deutschen Kulturbetrieb als Literatur galt und bis in die 1980er Jahre hineinwirkte«, schreibt hier Klaus Bittermann, sei »in der Regel kaum genießbar« gewesen, Enzensberger die »große Ausnahmeerscheinung in diesem literarischen Eintopf«.

Ich bin Enzensberger nie begegnet. Ich kenne von seinen beinahe 100 Werken nicht einmal die Hälfte. Ich habe über ihn auch nie systematisch geforscht, sondern bin ihm bloß in den verschiedensten Arbeiten zu Alfred Andersch, Franz Josef Degenhardt, der Marburger Schule, zur Europäischen Union, internationalen Kriegen und politischer Lyrik immer wieder neu begegnet, fand manches famos, anderes fad, weiteres falsch.

Sprunghaftigkeit

Als ich mit der Nachricht vom Tode Enzensbergers am vergangenen Donnerstag (24.11.) begann, meine Gedanken zu sortieren, da ahnte ich, dass seine Nachrufe auf seine Sprunghaftigkeit Bezug nehmen würden. Die Rohfassung dieses Textes entstand ohne ihre Kenntnis. Die Erwartung bestätigte sich jedoch im Nachhinein: »Wer das ironische, durch kaum etwas aus der Ruhe zu bringende Parlando von Enzensbergers späten Jahren im Ohr« habe, schreibt die FAZ, der solle »noch einmal den schroffen Ton des jungen, an Adorno und Heinrich Heine geschulten Polemikers hören«. Dabei habe sich Enzensberger nicht nur im Verlauf seines Lebens gewandelt, sondern sei grundsätzlich schwer zu greifen gewesen: Auf »geradezu unheimliche Weise schillernd«, sei er gewesen, »unfixierbar und – schlimmes Wort für Prinzipienreiter – unzuverlässig, besonders im Politischen«. Es existiere der schwerwiegende »Vorwurf (…) des Opportunismus und des ständigen Standpunktwechsels«, erinnert auch Jochen Schimmang in der Taz. Aber, beruhigt die Zeit, man müsse dies verstehen, denn Enzensberger sei »in der bundesdeutschen Öffentlichkeit von den frühesten Anfängen bis fast zum Schluss der unangefochtene Meister des Hase-und-Igel-Prinzips« gewesen: »Wenn die anderen endlich kapiert hatten, wo es lang ging, war Enzensberger schon längst wieder woanders und gab eine neue Richtung an.« 

Nun, be that as it may: Auch mir schien, dass mir an Enzensberger vor allem seine Sprunghaftigkeit in Erinnerung bleiben würde. Doch schon im Schreibprozess musste ich innehalten und argwöhnte, dass das Sprunghafte vielleicht nur scheinbar sprunghaft ist, das Diskontinuierliche womöglich Linearität aufweist, dem scheinbar individuell Eklektischen doch etwas generationell Typisches anhaftet.

Ich lernte Enzensberger als 14-Jähriger kennen. Das war Anfang/Mitte der 90er Jahre in der sauerländischen Provinz. Sein Der kurze Sommer der Anarchie. Buenaventura Durrutis Leben und Tod war für mich ein biografisch formierendes, politische Leidenschaften entfachendes und utopische Sehnsüchte weckendes Leseerlebnis. Es war meine erste Begegnung mit dem Spanischen Bürgerkrieg. Durrutis Satz: »Wir tragen eine neue Welt in unseren Herzen!« sprühte ich auf ein Transparent. Es hing bis zu meinem Auszug quer durch mein Kinderzimmer. Durruti nährte meine politische Romantik, so wie er sie zugleich wohl auch hervorkitzelte. Bevor ich auf einer langen Reise zu einem von Marx ausgehenden Denken kam, stand ich – allerdings in eklektischer Weise der Vor-Internet-Zeit – der antideutschen Ideologie nahe, las die Dialektik der Aufklärung und Der eindimensionale Mensch und verstand nicht mal die Hälfte, war Bahamas-Leser sowie Jungle World-Abonnent der allerersten Stunde. Davor aber las ich dutzendweise die kleinen, elendig schlecht kopierten, grün-schwarzen Broschüren der Anarchisten, die ich auf Antifa-Büchertischen zum schmalen Taler fand – las mit Begeisterung alles von Horst Stowasser, reiste in der zehnten Klasse Abel Paz, Durrutis Weggefährte und Biograf, zu einer Lesung im Bonner Le Sabot hinterher. Und all das werde ich immer mit Hans Magnus Enzensberger verbinden.

Menschenrechtsbellizismus

Dass er, bevor ich ihn kennenlernte, schon im Zweiten Golfkrieg den deutschen Faschismus und damit den Holocaust relativiert und, fast ein Jahrzehnt vor Joschka Fischer, beide instrumentalisierend einem liberalen Imperialismus und Menschenrechtsbellizismus das Wort geredet hatte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Und auch nach der Kurzer Sommer-Lektüre spielte er für mich, ehrlich gesagt, keine große Rolle. Als sauerländischer Oberstufenschüler in einem Elternhaus mit Hörzu– statt FAZ-Abo bekam ich wenig davon mit, was er so schrieb. Ich las – in vorfreudiger Erwartung eines »kurzen Sommers 2« – Enzensbergers Aussichten auf den Bürgerkrieg, aber das auch nur zur Hälfte.

Im Kosovokrieg setzte Enzensberger dann seine Linie aus dem Zweiten Golfkrieg fort. Ich lehnte die deutsche Beteiligung an der Bombardierung Rest-Jugoslawiens, die in mein erstes Semester an der Universität Marburg fiel, ab. Die Ablehnung fiel mir leicht, weil antideutsche Positionen zu diesem Zeitpunkt vom Kosovokrieg noch als dem »deutschen Krieg« sprachen (Tjark Kunstreich, Jürgen Elsässer usw.). Kunstreich trug damals dazu in der legendären antideutschen Kneipe Havanna 8 vor und vertrat die abenteuerliche These, die rot-grüne Regierung habe die USA in diesen Krieg hineingezogen. Nur vier Jahre später im Irakkrieg sah die Situation dann schon gänzlich anders aus, und die »Antideutschen« waren selbst auf Kriegskurs, wenngleich auch an der Seite von George W. Bush gegen Gerhard Schröder. Realiter waren die Weichen jedoch schon mit der »Zweiten Intifada« und dann 9/11 – dem »racist turn« in Bahamas und Co. – ein bzw. zwei Jahre nach dem Kosovokrieg gestellt. Von der ideellen Verteidigung der »ausländischen« Minderheiten gegen den »völkischen Mob« eines »wiedererwachten Deutschland« (Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Solingen, Lübeck, Hoyerswerda usw.) zur Avantgarde des antimuslimischen Rassismus brauchte die Bewegung kaum mehr als ein Jahrfünft.

Wie mir Enzensberger in Erinnerung bleiben wird? Als Neuer Linker, der sich – gramscianisch gesprochen – in den rot-grünen Neoliberalismus und transatlantisch/europäische Träume liberaler Imperialität einschrieb (oder kooptiert wurde, wenn man so will). Als ein bürgerlich-antibürgerlich gestrickter (Kursbuch-)Neuer Linker – Enzensberger war Nürnberger Oberpostdirektorsohn – mit einem allemal nicht untypischen Werdegang, weil eben der vermeintlich »antiautoritäre« Kulturavantgardismus dieser Neuen Linken sich nach der subjektiven Weltrevolutionsniederlage von 1968 ziemlich ungebrochen in einen so kurzlebigen wie harten Lenin’schen Avantgardismus übersetzen ließ (Enzensberger, Dutschke, Rabehl und Semler gaben 1969 für ihr Kursbuch das Ziel aus: »Aufbau einer marxistisch-leninistischen Kaderorganisation!«), der dann – nach dem Hörnerabstoßen beziehungsweise der Enttäuschung über das Scheitern auch dieser Revolutionsstrategie – über Zeit ebenso ungebrochen in einen liberalen Elitarismus überführt werden mochte. Ein Elitarismus, bei dem die Avantgarde die Zurückgebliebenen nun mit militärischer Gewalt in die »Zivilisation« bringt, im Selbstverständnis, dass der Bann der deutschen Vergangenheit und des Postfaschismus ja gebrochen ist, weil der Staat ein neutrales Werkzeug ist und jetzt eben die Guten (von 1968) am Ruder sind. Ein Avantgardismus, der sich auch nach innen äußert, indem er den Zurückgebliebenen, Noch-nicht-so-Weiten heute gerne wohlfeile (Dusch-/Spar- usw.)Ratschläge gegen Armut und Inflation gibt und, wenn sie nicht wollen, wie sie sollen, schließlich Vorschriften macht und Verbote erteilt. In diesem Sinne sind das Zentrum Liberale Moderne und Robert Habeck nicht vom Himmel gefallen.

Weg in den Mainstream

Jochen Schimmang, der Enzensbergers Werk sicherlich besser kennt, verwehrt sich in der Taz gegen den Opportunismusvorwurf mit Verweis auf Enzensbergers lebenslange Haltung, 1968 habe »dieses Land erst bewohnbar gemacht«. Gemeint ist wohl Westdeutschland. Das ist inhaltlich sicherlich richtig, sowohl von Enzensberger und in gewisser Weise auch von Schimmang. Zwar nicht gänzlich frei von gelegentlichen konservativ-kulturkritischen Äußerungen ging der im Mainstream und international höchst erfolgreiche Enzensberger nie den Weg einiger seiner anderen, jüngeren antiautoritären Weggefährten, die später den Weg in den Rechtsextremismus nahmen: Bernd Rabehl, mit dem Enzensberger das Kursbuch herausgegeben hatte, Frank Böckelmann, den Enzensberger einst an den Suhrkamp-Verlag vermittelt hatte, oder Horst Mahler, der Strafverteidiger etlicher der engsten Weggefährten Enzensbergers aus der APO. Die Lust am Regelbruch und der Provokation, der Subversiven Aktion und dem Hauptsache-gegen-den-Strom-Schwimmen lebte Enzensberger, wenn, dann überhaupt nur mit angezogener Handbremse, in seiner Lyrik und seinen Essays aus, die dem Publikum immer wieder Unerwartetes zumuteten und damit den Mythos Enzensberger nährten, den der Schriftsteller auch um sich zu schaffen trachtete.

Und trotzdem verkennt Schimmang, dass der »progressive Neoliberalismus« eben beides zugleich ist: Kontinuität und Bruch, Prinzipientreue und »Verrat«. Und zwar im Sinne einer schleichenden Anpassung an die sich mit der neoliberalen Konterrevolution ab den 1970er Jahren verändernden Kräfteverhältnisse (von Kapital und Arbeit und von rechts und links), ein Opportunismus, der sich unmerklich vollzieht, so wie der Frosch im Kochtopf eben nicht merkt, was ihm droht, weil der Temperaturanstieg sich so schleichend vollzieht. Er selbst sei, schreibt Frieder Otto Wolf, früher einmal linker Grünen-Abgeordneter im Europäischen Parlament und Professor der Philosophie an der Freien Universität Berlin, »als Jugendlicher ein großer Fan« gewesen und habe »sogar ein paar seiner Gedichte ins Portugiesische übersetzt«, die dann von Freunden durch die Zensur »in die größte Abendzeitung von Lissabon geschmuggelt« worden seien. Aber Enzensberger sei »wohl auch immer (ein) ›Ausdruck der Bewegung‹« gewesen.

Dass ich mich auf die subjektive Wahrnehmung der politischen Aspekte konzentriere, tue ich im Übrigen bewusst, weil damit vielleicht deutlich wird, dass ich den Lyriker Enzensberger – sowohl in seiner formradikalen, sprachspielerischen Frühphase und dem kurzen Flirt mit der operativen Literatur als auch später – für genauso überschätzt halte wie den Essayisten Enzensberger. (Man mag mir das ruhig als ein Geschmacksurteil auslegen, das ein Geschmäckle hat, und entsprechend ankreiden.)

Zugleich gibt es Dinge, die ich über Enzensberger lernte, die mich – jenseits der Durruti-Monografie und einiger Gedichte, Essays und später kennengelernter Texte wie des Freisprüche-Buchs – auch nicht wenige positive Seiten an ihm abgewinnen lassen, etwa dass er zu dem gehörte, was der sozialdemokratische Historiker Hans-Ulrich Wehler einmal die »neuartige kritische Öffentlichkeit« nach 1958 nannte, die das Epochenjahr 1968 in gewisser Weise vorwegnahm, weil jetzt nicht nur die »Kampf dem Atomtod«- und Ostermarsch-Bewegung Grundpfeiler für die APO legte, sondern »die 1958er« auch in Westdeutschland die kritische Auseinandersetzung mit dem Faschismus und Holocaust erzwangen und den Postfaschismus aufbrachen. Mit Autoren wie Enzensberger, Alfred Andersch (Die Kirschen der Freiheit, Sansibar oder der letzte Grund), Wolfgang Koeppen (Das Treibhaus), Günter Grass (Die Blechtrommel), Heinrich Böll (Billard um halb zehn), Neuss (Wir Kellerkinder), Max Frisch (Andorra), Rolf Hochhuth (Der Stellvertreter) und Peter Weiss (Die Ermittlung), mit Alexander Kluges und Edgar Reitz’ Oberhausener Manifest (»Papas Kino ist tot«) von 1962 und Filmemachern wie Kurt Hoffmann (Wir Wunderkinder), Falk Harnack (Unruhige Nacht, Arzt ohne Gewissen, Jeder stirbt für sich allein), Frank Wisbar (Hunde, wollt ihr ewig leben?), Bernhard Wicki (Die Brücke), Wolfgang Staudte (Rosen für den Staatsanwalt) und Jürgen Roland (Der Transport). Und mit den Liedlyrikern der Ostermarsch-Bewegung und des Burg-Waldeck-Festivals wie Gerd Semmer, Peter Rohland, Dieter Süverkrüp und Franz Josef Degenhardt. Enzensbergers Verteidigung der Wölfe (1957) und Landessprache (1960), schreibt Paul Ingendaay in der FAZ richtig, seien von »kontrollierter Wut gegen das Establishment der Älteren, die noch mit einem Bein auf Schlachtfeldern und in Lagern gestanden hatte«.

Auch ist anzuerkennen, dass Enzensberger anständig war und sich kümmerte, als Wolfgang Neuss an den ganzen Angriffen auf seine Person durch die Springer-Presse und dem von ihr aufgehetzten, antikommunistischen Mob zugrunde ging. Mit Neuss hatte Enzensberger noch 1967 in Westberlin den Republikanischen Club gegründet. Daran beteiligt waren nicht nur der linke Liberale William Borm, sondern auch die linken Sozialwissenschaftler Klaus Meschkat, Ekkehart Krippendorff, Ossip K. Flechtheim und Johannes Agnoli, der pikanterweise im selben Jahr in Die Transformation der Demokratie seine Zeitgenossen vor der gefährlichen Illusion gewarnt hatte, den Staat als ein neutrales Werkzeug zu begreifen, durch dessen Institutionen man einfach hindurchmarschieren könne. »Wolfgang, ich habe das Gefühl, du bist unser Opfer«, soll Enzensberger gesagt haben, als Neuss schon von Drogensucht gekennzeichnet, zahnlos und mit strähnigen langen Haaren, in einer Gratis-Wohnung der Groenewolds in Hamburg sein Eremitendasein fristete.

Ebenso gehört für mich zu den positiven Erinnerungen an Enzensberger, dass er auch in seiner Kritik der Lyrik des chilenischen Kommunisten Pablo Neruda noch betonte, dass es besser, weil mutiger, sei, »die Poesie« mit einem »Instrument der Politik« zu verwechseln, als sich als einer von »tausend Feiglingen« dem »wohlfeile(n) Köhlerglauben« hinzugeben, »es gäbe eine unpolitische Dichtung«.

Verhältnis zur RAF

Und schließlich nötigt es mir ebenfalls Respekt ab, dass Enzensberger offenbar – und anders als mutmaßlich Oskar Negt (der dies allerdings immer von sich gewiesen hat) – Ulrike Meinhof nicht verpfiff. Negts Kritik auf dem Angela-Davis-Kongress in Frankfurt (1972) am revolutionären »adventurism« bzw. linken Terrorismus der Baader-Meinhof-Gruppe, den er als katastrophalen Irrweg bezeichnete, war vollkommen richtig. Auch ist es richtig, dass der Typus Neuer Linker, wie Enzensberger ihn verkörperte, durch seinen Avantgardismus/Elitarismus der RAF am Ende um einiges näher war als der gute Negt, der in der Tradition der Arbeiterbewegung stand und bis heute steht, die von Bebel bis Lenin den »kleinbürgerlichen Terrorismus« und »Anarchismus« stets und kategorisch ablehnte. Nicht zufällig kamen die RAF-Leute – mit Ausnahme der Terroristen aus dem Umfeld des Heidelberger Sozialistischen Patienten-Kollektivs (SPK) – aus den gleichen und nur scheinbar »antiautoritären« kulturavantgardistischen Kreisen wie Enzensberger selbst. Darauf spielte auch Peter Hacks an, als er schon 1991 in Konkret in seinem unnachahmlich boshaften Spott über Enzensberger schrieb: »Es sind übrigens mehr, die diesen Weg vorschlagen, als die ihn einschlagen. Einer namens Enzensberger hat es versprochen und nicht gehalten. Ich wollte, er hätte seine Bombe geschmissen und uns von da an mit sich verschont. Jetzt sitzt er, eine greise 5-Mark-Hure des Imperialismus, und zeigt, wie wenn er welche hätte, seine Reize.«

Der Punkt ist: Ich respektiere dennoch den Mut und gewissen Anstand des Nichtverrats eines Geheimnisses, des Nichtauslieferns von Menschen, selbst wenn ich, wie gesagt, ähnlich wie Negt, auch der Auffassung bin, dass die RAF ein fataler Irrtum war, der für die gesamte Linke in der Bundesrepublik einen Riesenschaden anrichtete.

Möge Hans Magnus Enzensberger die Erde leicht sein. Ein kluger Mensch ist gestorben, aber kein Gott.

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