Stimmungsmache

von Jannik Eder

NACHDRUCK #1 | Das letzte TAGEBUCH überraschte mit einem unverklausulierten Juchhe für den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler. Braucht’s das?


485 wörter
~2 minuten

Alles neu im vorderen Teil des TAGEBUCH, auch an dieser Stelle: »Nachdruck«, ein Format, das einen zweiten Blick werfen möchte auf Themen, über die im TAGEBUCH geschrieben wurde, das verfolgt, wie sich diese Themen entwickelt haben und wie sie andernorts diskutiert wurden. Auch Ihre Reaktionen und Meinungen können hier Platz finden: Haben Sie Kritik, Lob, Anregungen, schreiben Sie uns gerne an nachdruck(at)tagebuch.at.

Aber zur Sache: Das Editorial des letzten TAGEBUCH trug den Titel »Für Babler« und war damit ein unverklausuliertes Juchhe für den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler, der während der Schlussproduktion des Hefts in das Rennen um den SPÖ-Vorsitz eingestiegen war. Die Druckabgabe stand an, die News aber mussten Erwähnung finden, in Kauf nehmend, dass der Editorial-Titel einem maximal uninspirierten Wahlplakat-Slogan glich.

Österreichs Linke im Babler-­Hype: eine Aufbruchsstimmung wie zuletzt nach Platzen der Ibiza-Bombe, eine Lobpreisung nach der anderen – und haufenweise Bekundungen, dass man jetzt in die SPÖ eingetreten sei. Es entzündete sich der vielleicht letzte Funken Hoffnung auf eine Wiederbelebung der österreichischen Sozialdemokratie.

Ein Freund und Leser polemisierte während eines Kaffeeklatschs: Das TAGEBUCH sei einst für die KPÖ gestanden, heute mache es Werbung für einen Sozen. – Na ja. Bitte bedenken: Lang ist’s her, und der KPÖ war die Zeitung ja zu unorthodox, die Wege trennten sich. Also nicht in die 1960er zurückfallen, ein wenig Sympathie für den linken Flügel der SPÖ wird man ja wohl noch zeigen dürfen.

Interessant wäre aber tatsächlich, was die KPÖ, die ja so gut dasteht wie lange nicht mehr, zu Babler sagt. Wieder progressiver ausgerichtet, wäre die SPÖ eine enorme Konkurrenz gerade hinsichtlich jener Wählerinnen und Wähler, die ihr Kreuzerl bei der KPÖ machen, eben weil sie die Rendi-Wagner/Doskozil-SPÖ nicht mehr derpacken. Aber unabhängig davon, progressiv hin oder her: Stimmung machen für Personen, deren Geschäft die Politik ist, ist das nicht eher der Stil von Krone, Kurier und Co? Sind die Verhaberung von Politik und Presse, die Kampagnen der Medien für vermeintliche politische Heilsbringer nicht altbekannte Unsitten in diesem Land?

Diese Fragen seien nachgeschickt, ansonsten ist dreierlei zu konstatieren: Erstens, das TAGEBUCH prognostizierte richtig: Der »Parteiapparat um Christian Deutsch« werde sich Hürden »für eine tatsächlich demokratische Entscheidung über den Vorsitz« einfallen lassen, und Pamela Rendi-Wagner habe »die Hegemonie in der SPÖ längst verloren«. Zweitens, Babler trifft den Publikumsnerv. Das bewiesen die Online-Zugriffszahlen, als man via Social Media das Editorial anteaserte und ein Babler-Porträt aus dem TAGEBUCH 3|2020 verbreitete; auch die Kleine Zeitung zitierte aus Letzterem. Folgerichtig das Babler-Interview in dieser Ausgabe. Drittens, erst mal ist alles offen. Die Mitgliederbefragung läuft bis 10. Mai, Ergebnis wohl Ende Mai, am 3. Juni dann der Parteitag. Ob Sie für diese Wochen bloß frisches Popcorn herrichten oder auch für Babler trommeln, müssen Sie selbst entscheiden.  

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