Grüne Verantwortungslosigkeit

von Benjamin Opratko

Ein Grundproblem der Grünen in der Asylfrage ist, dass sie sich politisch nicht verantwortlich fühlen.

Ein scheinbar technisches Detail rettet die Grünen hierzulande vor Turbulenzen, wie sie ihre Kolleginnen und Kollegen in Deutschland erfassten. So zumindest erklären es auf Nachfrage Grüne, die mit der EU-Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS, siehe den Kommentar von Bernd Kasparek) unzufrieden sind. Wenn eine deutsche Ministerin mit ihren Kolleginnen im EU-Ministerrat zusammentrifft, vertritt sie die Position ihrer Koalitionsregierung. So ging der Zustimmung der Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zur De-facto-Aussetzung des Menschenrechts auf Asyl in Europa die Zustimmung der Spitze der Grünen voraus. In der Partei, die die Verteidigung der Menschenrechte zu ihrer Aufgabe erklärt hat, war der Aufschrei daraufhin groß. Die Parteiführung wird noch einige Zeit damit beschäftigt sein, den intern wie öffentlich geäußerten Unmut wegzumoderieren.

Wenn Faesers österreichischer Kollege, Gerhard Karner von der ÖVP, seine Zustimmung zu dieser Reform gibt, ist der Koalitionspartner fein raus. Denn Österreichs Positionen im Ministerrat sind »nicht koordinierungspflichtig«. Karner habe daher, so Georg Bürstmayr, im Grünen-Parlamentsklub für Asylpolitik zuständig, »seine bzw. die ÖVP-Position in Luxemburg vertreten, nicht die der Koalition«. Seine Kollegin Ewa Ernst-Dziedzic, zuständig für Menschenrechte und Migration, nannte GEAS einen »historischen Rückschlag für Menschenrechte« und ließ eine Pressemitteilung verfassen, die vermuten lassen könnte, eine Oppositionspolitikerin hätte sie geschrieben, keine Abgeordnete, die zur Regierungsmehrheit im Parlament beiträgt. Konsequenzen folgen daraus keine. Eine grüne Parteikrise wie in Deutschland löste die Zustimmung zum GEAS nicht aus.

Die Diskrepanz kann die Tatsache, wie die Position im Ministerrat entschieden wird, nicht erklären. Sie mag formell »nicht koordinierungspflichtig« sein, realpolitisch findet die Koordinierung natürlich statt. Es ist schwer vorstellbar, dass etwa die grüne Ministerin Leonore Gewessler ohne Rücksicht auf die ÖVP im EU-Rat der Energieminister agieren würde. Zumal die Tatsache selbst Ergebnis der Koalitionsvereinbarung zwischen Grünen und ÖVP ist. Sie zeigt vielmehr das Grundproblem der Grünen in dieser Regierung: Man erklärt sich für die eigene politische Verantwortung nicht zuständig.

Es ist schwer vorstellbar, dass Leonore Gewessler ohne Rücksicht auf die ÖVP im EU-Rat der Energieminister agieren würde. 
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