Ein Teil meiner Familiengeschichte geht in etwa so: Ein Vorfahre meiner Mutter, der als Landwirt treuen Dienst beim lokalen Pascha abgeleistet hatte, bekam von diesem im Gegenzug Land geschenkt. Dessen Fläche ergab sich aus einer einfachen Aufgabe, die der Pascha meinem Vorfahren auftrug: Was er an einem Tag und in einer Nacht mit seinem Ochsen zu pflügen vermochte, sollte ihm gehören; eine Rechnung, die in widrigen Zeiten aus einem armen südserbischen Bauern einen gar nicht mal so reichen südserbischen Großgrundbesitzer machte. Dieses Land blieb im Besitz der Familie bis 1946, da es die jugoslawischen Kommunisten ins Gemeinwirtschaftliche überführten. Was von der Familiengeschichte übrigblieb, war der von Generation zu Generation weitergetragene Gram im Herzen, dem die Aussicht auf etwas Kapital näher lag als die Bevölkerung, zu deren Gemeinwohl das Land enteignet wurde. Wenigstens bleibt mir – dem einzigen verbliebenen Jugoslawen in meiner Familie – die Genugtuung, Scherze mit dem Trauma treiben zu können.
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