Round-up zum Jahresende: Was waren die meistgelesenen TAGEBUCH-Artikel im Jahr 2023? Gemessen an den Web-Zugriffszahlen, setzt sich das Stockerl wie folgt zusammen:
Platz drei: »Links und nützlich« von TAGEBUCH-Redakteurin Kathrin Niedermoser (April-Ausgabe). Ein Porträt Kay-Michael Dankls, KPÖ-Spitzenkandidat bei den Salzburger Landtagswahlen.
Platz zwei: »Es ist ein ganz hartes Match«, Andreas Babler, kurz vor seiner turbulenten Wahl zum neuen SPÖ-Vorsitzenden, im Gespräch mit TAGEBUCH-Chefredakteur Samuel Stuhlpfarrer (Mai-Ausgabe).
Platz eins: »Was man sein will« von Robert Rotifer (August-Ausgabe). In einem sehr persönlichen Essay ordnet Rotifer die Causa Fabian Wolff ein. Der Publizist galt als wichtige jüdische Stimme in den deutschen Medien, der mit teils gegen den Mainstream in der Gemeinde gerichteten Positionen aneckte. Im Juli 2023 machte er öffentlich, dass er, auch entgegen eigenen Annahmen, gar nicht jüdischer Abstammung sei.
Die Platzierungen überraschen grundsätzlich nicht. Dankl und die Salzburg-Wahl sowie Babler und sein Kampf um den SPÖ-Vorsitz betreffen zwei innenpolitische Hot Topics der österreichischen Linken. Beide Texte sind tiefgehende Longreads aus einer Perspektive, die man kritisch-solidarisch nennen könnte. In dieser Form und Qualität gibt es das kein zweites Mal.
Platz eins überrascht etwas mehr, aber dann auch wieder nicht. Einerseits gibt es in linken Bubbles nicht wenige, die von Wolff bis dato nichts oder kaum etwas gehört hatten. Das Thema hatte auch keinen Österreich-Bezug. Andererseits war es eines, das sich nicht nur durch deutschsprachige Feuilletons zog, sondern auch in den Social Media heftig diskutiert wurde; Twitter (da hieß es noch so) wurde gefühlt wochenlang davon beherrscht.
Auch wer zuvor nichts von Wolff wusste, kann gut Anschluss finden, denn man hat es mit einer Aufstieg-und-Fall-Geschichte zu tun, die mit einigen Perlen linker Debatten geschmückt ist: etwa dem Diskurs über Antisemitismus oder Identität bzw. Identitätspolitik. Daneben hatte man es, natürlich gerade auf Twitter, mit einer Schlammschlacht zu tun, mit dem Phänomen, dass man nicht wegschauen konnte, auch wenn es einem schon zu viel wurde. Ein weiterer mutmaßlicher Grund, warum der Text die größte Leserschaft erreichte: Das Thema war speziell in Deutschland virulent, entsprechend war er vor allem auch für Leute in der Bundesrepublik interessant, und so waren die Zugriffszahlen höher als bei einem Text, der primär österreichisches Publikum adressiert. Und schlussendlich war Rotifers Essay handwerklich einfach eins a.
Ansonsten augenfällig: Bei den Top drei stehen Männer im Zentrum. Die Überrepräsentation von Männern ist nicht nur auf diese Artikel beschränkt, sondern gilt für alle TAGEBUCH-Ausgaben. Auch 2023 hat es das TAGEBUCH leider nicht geschafft, Ausgewogenheit beim Geschlechterverhältnis herzustellen, weder bei den Schreibenden noch bei den Menschen, von denen die Artikel erzählen.
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