Europa, erwachsen!

von Benjamin Opratko

Nach Donald Trumps Sieg bei der US-Wahl, wird in Europa gefordert, man müsse »erwachsen« und »wehrhaft« werden. Ein Kommentar.


334 wörter
~2 minuten

Was bedeutet der Wahlsieg Donald Trumps für die EU? Ob die Antwort von grüner oder konservativer, liberaler oder sozialdemokratischer Seite kommt, sie lautet bemerkenswert ähnlich: Europa muss! Der ÖVP-Vorzeigeeuropäer Othmar Karas vermied ein strammes »Europa, erwache!« und entschied sich für den historisch weniger belasteten Aufruf, es müsse »endlich munter werden«. Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger wiederum forderte, Europa müsse »erwachsen werden« und »mit mehr Selbstbewusstsein« auftreten. Was das bedeutet, buchstabierte Raphaël Glucksmann, französischer EU-Parlamentarier und Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion, in Le Monde aus: »Alles hängt von unserer Fähigkeit ab, uns gemeinsam und individuell in kämpfende Demokraten zu verwandeln.« Die Europäer hätten lange »wie Heranwachsende gelebt und im Schutz eines vermeintlich ewigen amerikanischen Regenschirms geschlafen«. Womit die Metaphern endlich zueinanderfinden: Aufwachen, erwachsen werden, kämpfen!

Erwachsen werden heißt wehrhaft werden. Dieses ur-maskulinistische Menschenbild zieht sich nicht zufällig durch die Kommentare der EU-Mandatare. Es geht ihnen darum, eine mit dem liberalen Selbstverständnis kompatible Legitimation für das Aufrüsten zu finden. Um »europäische Werte« zu schützen, muss die Kriegsbereitschaft eben zum europäischen Wert werden. Was in wohlfeilen Reden ausgespart wird, sind die praktischen Konsequenzen eines »strategisch autonomen« Europas. Das betrifft nicht nur die enormen finanziellen Kosten, die nur durch Umschichtungen – sprich Einsparungen anderswo – gestemmt werden können. Sondern auch andere, materielle Notwendigkeiten. Eine industrielle und militärische Autonomie anstrebende EU ist noch stärker als heute darauf angewiesen, Rohstoffe aus allen Ecken der Welt einzusaugen. Die Zufuhr der nötigen Metalle, fossilen Brennstoffe und seltenen Erden will wiederum mit softer wie harter Macht abgesichert werden. Das nannte man einst Imperialismus.

In ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag präzisierte die grüne deutsche Außenministerin Annalena Baerbock: Die Antwort auf das Trump’sche »America First« müsse »Europe United« sein, »mit einem starken Deutschland, das bereit ist, zu führen«. Man muss genau hinhören: In einem erwachenden, erwachsenen Europa baut man Panzer und spricht deutsch.

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