Widerstand im hohen Norden

von Andreas Pavlic

488 wörter
~2 minuten
Widerstand im hohen Norden
Gabriel Kuhn
Indigener Widerstand in Zeiten des Klimawandels
Sápmi: Grüner Kolonialismus im Norden Europas
Verlag Graswurzelrevolution, 2024, 66 Seiten
EUR 12,95 (AT), EUR 11,90 (DE), CHF 16,90 (CH)

Du bist Sámi. Kannst du mir darüber ein bisschen erzählen? Ich habe keine Ahnung.« Mit diesen Worten wurde eine samische Künstlerin im schwedischen Fernsehen begrüßt. Dabei gibt es in Schweden 15.000 bis 20.000 Sámi; die UN schätzte 2011 die Zahl der Sámi auf rund 100.000, außer in Schweden leben sie in Norwegen, Finnland und Russland. Diese Ignoranz war einer der Anlässe für Gabriel Kuhn, einen Überblick über die Geschichte und die aktuelle Situation der Sámi zu schreiben.

Der Umgang des europäischen Nordens mit der indigenen Bevölkerung verläuft nach einem nur zu bekannten Muster. Seit circa 4000 Jahren leben die Menschen im Gebiet Sámpi, früher sicherten sie sich ihre Lebensgrundlage durch Jagd und Fischfang, später vor allem durch Rentierzucht. Im Mittelalter waren sie Teil des Handelsnetzes der Wikinger. In der Neuzeit wurden in ihrer Region erste Silbervorkommen entdeckt und erschlossen. Neue Siedler:innen zogen ins Land, die indigene Bevölkerung wurde zur Zwangsarbeit verpflichtet. Einmal in den Fokus ökonomischer Ausbeutung geraten, wurde diese intensiviert. »Im 18. Jahrhundert waren die kolonialen Strukturen in Sámpi fest etabliert.« Da die Sámi keine kriegerische Tradition und keine übergreifende politische Organisation entwickelt hatten, »wurden sie vom Staatsapparat überrollt«.

In den 1970er-Jahren engagierten sich Vertreter:innen der Sámi im World Council of Indigenous Peoples (WCIP), 1978 bildete sich ein breiter Widerstand gegen das Altá-Wasserkraftwerk im Norden Norwegens, bei dem sich indigene Aktivist:innen, die lokale Bevölkerung und eine aufgeklärte Zivilgesellschaft zusammenschlossen. Unterschriftenlisten, Protestcamps, Hungerstreiks bis hin zur versuchten Sprengung einer Zufahrtsbrücke, bei der ein Sámi-Aktivist schwer verletzt wurde, waren Teil des Kampfes, der sich über viele Jahre hinzog. Die norwegische Regierung setzte 1987 zwar den Kraftwerksbau durch, doch das Selbstbewusstsein der Sámi, ihre Organisierung und die Stimmung ihnen gegenüber hatten sich verändert.

Neben verschiedenen symbolischen Rehabilitationen gibt es mittlerweile eine sprachliche und kulturelle Anerkennung. Filme, Fernsehserien, Musikfestivals, die Förderung der Sprache und Bildungseinrichtungen – es hat sich viel getan. Auch die Tourismuswirtschaft weiß um die Verwertbarkeit der indigenen Kultur. Bestehen bleiben der Alltagsrassismus, die soziale Diskriminierung und die koloniale Nutzung des Landes, die von riesigen Windkraftanlagen über Holzwirtschaft und Fischfang bis zu den Bodenschätzen reicht (Kupfer, Phosphor und Seltene Erden für die grüne Wende).

Abseits der kulturellen Freiheiten zeigt der grüne und liberale Kapitalismus seine Zähne. Jedoch regt sich auch heute Widerstand in Sámpi. Gabriel Kuhn zitiert den Präsidenten des Samischen Rates, Aslak Holmberg, und dokumentiert damit eine eigene Perspektive und andere Art der Hoffnung: »Wir wissen, wozu wir als Gesellschaft fähig sind und wozu nicht. Wir haben es gelernt zu überleben. Wir wissen, wie man sich gegen die Kräfte der Globalisierung wehrt. Mehrheitsgesellschaften, die sich nicht auf starke Traditionen stützen können, sind viel verwundbarer. Sie verschwinden schnell. Die Konsumgesellschaft macht aus allem einen Einheitsbrei. Wir sind für die Zukunft gerüstet.«

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