Arbeiterbewegung im Wandel

von Benjamin Herr

342 wörter
~2 minuten
Arbeiterbewegung im Wandel
Marcel van der Linden
»... erkämpft das Menschenrecht«
Vom Aufstieg und Niedergang klassischer ArbeiterInnenbewegungen
Promedia, 2024, 216 Seiten
EUR 25,00 (AT), EUR 25,00 (DE), CHF 32,50 (CH)

Wenn Marcel van der Linden ein Buch über die Arbeiterbewegung schreibt, ist das fundiert. Der niederländische Historiker fungierte viele Jahre als Forschungsdirektor des Internationalen Instituts für Sozialgeschichte in Amsterdam, war Professor für Geschichte sozialer Bewegungen und prägte die Global Labour History. Sein global orientierter Ansatz zeigt sich auch in diesem Buch. Es konzentriert sich zwar auf Westeuropa und die USA, bietet aber auch wertvolle Einblicke in andere Regionen.

Van der Linden untersucht die wichtigsten Arbeiterorganisationen zwischen Mitte des 19. und Ende des 20. Jahrhunderts und zeichnet ein differenziertes Bild ihrer jeweiligen historischen Entwicklung, insbesondere ihrer Krisenmomente. Unter Rückgriff auf die umfangreiche Forschungsliteratur zeigt van der Linden beispielsweise, warum Anarchist:innen keine Mehrheit fanden – der Wohlfahrtsstaat war schlicht attraktiver. Syndikalist:innen mobilisierten Arbeiter:innen zwar mit ihrer militanten Strategie, blieben aber in der Minderheit. Staatliche Repression, aber auch Sozialleistungen und Massenkonsum schwächten ihre Basis zusätzlich. Die Sozialdemokratie wiederum war von Anfang an defensiv, mit dem Ziel, Erreichtes zu bewahren. Die Erosion ihrer Subkultur und veränderte Klassenstrukturen brachten zusätzliche »Herausforderungen« in das sozialdemokratische Getriebe.

Dennoch zeichnet van der Linden kein einseitiges Bild eines unaufhaltsamen Niedergangs. Vielmehr macht er deutlich, dass Abwärtstrends immer wieder durch Aufschwünge unterbrochen wurden. Die von van der Linden analysierten Organisationsformen reagierten auf gesellschaftliche Entwicklungen – und diese erforderten stets neue Strategien. Was die aktuelle Krisensituation der Arbeiterbewegungen betrifft, so klingen seine Antworten durchaus vertraut: Gewerkschaften revitalisieren, Klassenfraktionen jenseits des weißen, männlichen Industriearbeiters integrieren, Organisationen demokratisieren und neue Aktionsformen entwickeln. Im Kontext seiner dichten historischen Analysen erhalten diese Vorschläge jedoch ein besonderes Gewicht. Letztlich beschreibt van der Linden eine Auseinandersetzung innerhalb der Klasse: Wie kann kollektives Interesse angesichts des Strukturwandels und mit einer globalen Orientierung definiert werden?

Die Stärke des Buches liegt in seiner kontextgebundenen Vielfalt. Es verbindet scheinbare Gegensätze – Regierungspolitik und Selbstorganisation, Konsens und Konflikt – strategisch miteinander. Sein historisch fundierter Ansatz beendet ermüdende Debatten über einen »one best way« und richtet den Fokus auf die spezifischen Kontexte der jeweiligen politischen und organisatorischen Optionen und deren Effizienz.

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