Zumindest den »Vertrag mit der Bevölkerung« haben KPÖ und Links gemeinsam unterzeichnet. (Foto: KPÖ)

Woran KPÖ und Links in Wien gescheitert sind

von Benjamin Opratko

KPÖ und Links verpassen die Fünf-Prozent-Hürde und werden auch im nächsten Wiener Gemeinderat nicht vertreten sein.


986 wörter
~4 minuten

Mitte der 2000er-Jahre drehten Fans des First Vienna Football Club einen Dokumentarfilm darüber, dass ihr Fußballverein schon wieder nicht in die höchste Spielklasse aufgestiegen war. Der Titel war Programm: Es geht sich immer nicht aus

Es könnte der Wappenspruch der Kommunistische Partei Österreichs in Wien sein. Im Verbund mit der Partei Links verfehlte sie den Einzug in den Wiener Gemeinderat, der zugleich Landtag ist und mehr als ein Fünftel der österreichischen Bevölkerung repräsentiert, abermals. Das letzte Mal war die KPÖ 1969 darin vertreten. Mit vier Prozent der Stimmen sind KPÖ und Links diesmal zwar so knapp wie nie an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Gescheitert aber sind sie in Wien, anders als in GrazSalzburg oder Innsbruck.

Im Nachgang der Wahl streichen beide Parteien das Positive hervor. Auf Bezirksebene waren sie tatsächlich erfolgreich. Sie konnten die Zahl der Bezirksrät:innen mehr als verdoppeln und stellen nun Mandatar:innen in allen 23 Wiener Bezirken. Fast 14.000* Menschen mehr gaben dem linken Bündnis ihre Stimme als bei den letzten Wahlen 2020. Aber auf Stadtebene bleiben über 25.000 Wahlstimmen ohne Repräsentation. Woran liegt es? 

Das erste Problem entstand schon ganz zu Beginn. Offensichtlich glaubte die KPÖ-Spitze selbst nicht daran, den Einzug schaffen zu können, als der Wahltermin in Wien mit 27. April festgelegt wurde. Damals rechnete noch alles mit einer Bundesregierung unter FPÖ-Kanzler Herbert Kickl und einem Wahlkampf, in der die SPÖ sich als antifaschistisches Bollwerk inszenieren würde. Wenn das rote Wien gegen Blau-Türkis im Bund verteidigt werden muss, bleibt wenig Platz für linke Kleinparteien.

Das war damals eine nachvollziehbare Einschätzung. Doch ebenso wie die SPÖ, die den Wahltermin aus diesem Grund vorverlegt hatte, verkalkulierte sich auch die KPÖ. Die bundespolitische Großwetterlage erwies sich als deutlich freundlicher, die Babler-SPÖ hat sich mit ÖVP und Neos in eine wenig mitreißende Koalitionsregierung begeben, ein Kampf um Wien gegen die FPÖ fand nicht statt.

Doch es ist ähnlich wie im Fußball: Wer mit der falschen Einstellung ins Spiel startet, kann während der Partie nur schwer umschalten. Das fehlende Selbstvertrauen drückte sich auch in der Wahl der Spitzenkandidatin aus. Die selbst unter Sympathisant:innen vollkommen unbekannte Barbara Urbanic hinterließ im Wahlkampf keinen Eindruck. Tobias Schweiger, der die Partei bei der Nationalratswahl angeführt und dadurch ein öffentliches Profil erhalten hatte, stand für die Rolle dem Vernehmen nach nicht zur Verfügung. Was darauf hindeutet, dass auch er nicht damit rechnete, dass der Einzug in den Gemeinderat gelingen könnte.

Neben Urbanic stand Angelika Adensamer von der Partei Links auf Platz zwei der Wahlliste. Die gemeinsame Kandidatur kam nach offenbar mühsamen Verhandlungen zustande. Stärkstes Motiv dafür war ein negatives: Gegeneinander hätte wohl keine der beiden Parteien eine Chance gehabt und die Linke insgesamt ihr Image als zerstrittener Haufen einzementiert. Was dann folgte, war zwar kein Streit, aber auch kein gemeinsames Vorgehen.

Während die KPÖ auf ihr in anderen Städten erprobtes Konzept und auf die Themen Wohnen und Teuerung setze, führte Links de facto einen Parallelwahlkampf. Statt sich in eine übergeordnete Strategie zu fügen und im Wahlkampf gemeinsam ein Politikfeld zu bearbeiten, machte Links alles anders. Die Partei verwendete für ihr Wahlkampfmaterial das eigene Design und versuchte mit eigenen Themen und Forderungen Präsenz zu gewinnen. Mal ging es um das Wahlrecht, mal um Abtreibungen, mal um Tempo 30, mal um Nazis, mal um Parks, mal um Trans- und Queeridentitäten, mal um Klimaaktivismus, mal um Essenszusteller, mal um Alltagsrassismus, mal um Fahrradspuren, mal um Asylrecht.

Je für sich genommen keine falschen Forderungen. Man kann auch darüber diskutieren, ob der Fokus auf Wohnen und Armut im sozialdemokratisch verwalteten Wien die richtige Themensetzung ist. Aber dass eine ohnehin mit wenig Ressourcen ausgestattete Wahlkampagne sich auf einzelne Themen konzentrieren muss, sollte klar sein.

Wie unkoordiniert der Wahlkampf ablief, zeigte sich am 18. April. An diesem Tag präsentierte die KPÖ eine ihrer zentralen Wahlkampfforderungen, die Einrichtung von Volksküchen im öffentlichen Raum. Am selben Tag veranstaltete Links eine Presseaktion, um die Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger-Platzes in Johanna-Dohnal-Platz zu fordern. Das wirkt nicht nur erratisch. Es ist auch handwerklich eine besondere Leistung, sich die eigene Pressearbeit abzuschießen. Dass trotz des verhauten Wahlkampfs vier Prozent rausgeschaut haben, macht das Ergebnis nur noch bitterer: Es wäre offensichtlich mehr drin gewesen.

In der KPÖ sollte nun geprüft werden, was anders werden muss, um nicht auf ewig der sympathische, aber erfolglose Underdog zu bleiben. Wer kann in den nächsten fünf Jahren als Spitzenkandidat:in aufgebaut werden? Wie will man das Verhältnis zu Links gestalten? Wie löst man das Dilemma, dass es keine Kandidatur gegeneinander geben kann, aber zumindest so auch keine miteinander? Wie kann eine erkennbare politische Identität links der Sozialdemokratie entstehen, die für Wähler:innen verständlich und attraktiv ist?

Bei Links wiederum sollte ein Reflexionsprozess darüber einsetzen, was man eigentlich sein will. Eine soziale Bewegung? Ein Zusammenschluss von Aktivist:innen? Eine lokalpolitische Liste? In ihrer gegenwärtigen Form ist die Partei jedenfalls weder strategie- noch paktfähig.

Es ist sich also wieder nicht ausgegangen. Der schöne Austriazismus drückt in seiner Passivkonstruktion aus, was in Wien bisweilen als Tugend gilt. Durch das »es« schiebt man die Verantwortung fürs eigene Scheitern in die Welt, um sie nur ja nicht bei sich selbst suchen zu müssen. Nicht »wir haben es nicht geschafft«, sondern »es ist sich nicht ausgegangen«. Das Schlimmste, was KPÖ und Links passieren könnte, wäre, es sich in dieser Haltung gemütlich zu machen.

* In einer früheren Version dieses Artikels war an dieser Stelle von nur 5000 zusätzlichen Stimmen auf Bezirksebene die Rede. Diese Zahl wurde nach Vorliegen des vorläufigen Endergebnisses am 29. April korrigiert. Tatsächlich hat KPÖ/LINKS auf Bezirksebene 13.925 Stimmen mehr als 2020 erreichen können. Red.

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