Nie zuvor war die Auswahl derart groß. 29 Präsidentschaftskandidatinnen buhlten ursprünglich um die Gunst der demokratischen Basis. Auf den Stimmzetteln im US-Bundesstaat Iowa war Anfang Februar nicht einmal mehr die Hälfte davon zu finden. Gefeiert wurde der große Andrang um das Präsidentenamt als ein Spektakel der Vielfalt. Dass diesmal gleich mehrere Frauen, Afroamerikanerinnen, eine Hinduistin, ein Hispanic und ein bekennender Homosexueller um die Kandidatur wetteiferten, ist zweifellos eine positive Entwicklung. Diversität kann aber nicht von der eigentlichen Krise der Demokratischen Partei ablenken – einem hartnäckigen Richtungsstreit.
Es mag verwundern, dass sich nach einem dreiviertel Jahr Wahlkampf an den vorderen Plätzen nur wenig geändert hat. Joe Biden und Bernie Sanders führen die »Polls« noch immer an. Ausgenommen ihres Geschlechts und hohen Alters verbindet diese beiden Kandidaten nur sehr wenig. Allerdings repräsentieren sie besser als alle anderen den Grabenkampf, der derzeit unter den Demokratinnen ausgefochten wird. Um sie herum haben sich die beiden gegnerischen Lager aus Zentristen und Progressiven geschart. Zwar konnten sich mit der linksliberalen Elizabeth Warren und dem moderaten Pete Buttigieg zwei weitere Kandidaten in die vorderen Reihen drängen. Doch wenige Wochen vor dem Democratic Caucus in Iowa, wo traditionell zuerst abgestimmt wird, stagnieren diese in den Umfragen. Warren hat Schwierigkeiten sich gegen den konsistenteren Linken Sanders durchzusetzen. Der 37-jährige Medienliebling Buttigieg hingegen kann wichtige Wählergruppen wie etwa Afroamerikanerinnen nicht überzeugen. Bei letzteren dürfte er laut einer jüngeren Studie des Meinungsforschungsinstituts Ipsos gerade einmal bei zwei Prozent liegen.
Zweifellos kommt dem Faktor »Identität« in den Vorwahlen der US-Demokratinnen eine besondere Bedeutung zu. Fast 40 Prozent der Stimmen bei den Primaries kommen aus den Minderheiten-Communities. Der Frauenanteil liegt insgesamt bei rund 60 Prozent. Dennoch scheinen diese demografischen Entwicklungen bei den Wählerinnen nicht den Wunsch nach mehr Identitätspolitik geweckt zu haben. Ganz im Gegenteil, die alten weißen Männer Joe Biden und Bernie Sanders führen aufgrund ihrer politischen Agenden und weil man ihnen am ehesten zutraut, gegen Donald Trump zu gewinnen. Was wiederum zum eigentlichen Dilemma führt: Sollen die Demokratinnen nach links rücken oder in der politischen Mitte verharren, um Trump und die in den Rechtsextremismus abgedriftete Republikanische Partei zu schlagen?
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