Vernebelte Bildungsdebatte

von Tyma Kraitt

Illustration: Christoph Kleinstück

Die Debatte über das österreichische Bildungswesen ist nach wie vor nicht auf dem Stand, auf dem wir sie führen sollten.


321 wörter
~2 minuten

Mit ihrem Buch Generation Haram hat die Journalistin Melisa Erkurt eine weitere Debatte über das Versagen des österreichischen Bildungssystems ausgelöst. Erfrischend bei Erkurt: Sie stellt nicht vermeintlich integrationsunwillige Ausländerkinder und ihre Eltern an den Pranger, sondern kritisiert anhand vieler Schilderungen aus dem Schulalltag den Rassismus der Lehrenden und die geringen Aufstiegschancen im selektiven österreichischen Schulwesen. Erkurt thematisiert dabei auch, dass gerade der Rassismus gegen muslimische Schüler und Schülerinnen meist nicht als solcher wahrgenommen wird. Die Diskriminierungserfahrungen von Muslimen werden entpolitisiert, wenn Begriffe wie Islamophobie oder antimuslimischer Rassismus in der Debatte nicht akzeptiert werden. Dies dient einer Vernebelung. »Wenn es kein Wort dafür gibt, dann gibt es das auch nicht«, so die Autorin, die sich selbst dem kulturalistischen Diskurs allerdings nicht ganz entziehen kann. Das zeigt schon der Buchtitel Generation Haram, der auf eine frühere Reportage von ihr über eine neue Verbotskultur unter muslimischen Teenagern zurückgeht. Aus der pubertären Hinwendung einiger Schüler zu religiösem Getue eine ganze Generation zu konstruieren, ist unnötige Effekthascherei – und stigmatisierend. Weitaus problematischer ist aber der verstaubte Verliererdiskurs. Aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft sind Migrantinnen und Migranten entweder eine Bedrohung oder eben Verlierer. Für Empowerment ist in diesem Spannungsfeld kein Platz.

Und überhaupt: Warum soll das Leben und die Zukunft junger Menschen (mit und ohne Migrationshintergrund) durch die Allmacht von Lehrenden (etwa beim Durchfallenlassen) ruiniert werden? Dadurch bleiben Schulen Orte der Repression, auch wenn ihnen auf Empfehlung von OECD und anderer Wirtschaftsorganisationen zusehends ein liberaler und offener Anstrich gegeben wird. Dieser orientiert sich nebenbei bemerkt an den »21st Century Skills« – ein in den USA von Wirtschaftsvertretern und Bildungsexpertinnen ausgearbeitetes Konzept. Schulen werden dadurch nicht freier, sondern auf die Anforderungen und den Druck einer neoliberalen Arbeitswelt abgestimmt. Wenn wir schon über Verlierer sprechen, sollten wir das Machtgefüge thematisieren, das sie hervorbringt. Diskriminierungsfreie Schulen reichen nicht, wenn darauf der Einstieg in eine diskriminierende Arbeitswelt folgt.

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