Alles soll mit Blick auf die Geschichte repariert werden, wenn es darum geht, dass all das nicht mehr einem zeitgenössischen gesellschaftlichen und vor allem politischen Konsens entspricht. Über die Frage, wie diese Reparatur vor sich gehen soll, gibt es teils heftige Auseinandersetzungen. Dass es Reparaturen geben muss, das steht für mich jedenfalls außer Zweifel. Es ist vor allem die Geschichtswissenschaft, der hier die Aufgabe der Aufklärung zukommt. Dem Lueger-Denkmal sieht man nicht an, dass hier ein Antisemit steht, man muss es wissen.
Nun zum Wie: Nein, man muss nicht alles entsorgen oder wegräumen. Es braucht keine Geschichtsreparatur nach dem Motto: Diesen Antisemitismus, diesen Rassismus, diesen Sexismus, diese Homophobie und seine Protagonisten hat es nicht gegeben; also soll es keine historischen Spuren geben, es ist erst dann gut, wenn alles weg ist. Vielmehr ist zu differenzieren: Welchen Gegenstand betrifft es? Ist es ein Denkmal, ist es ein Straßenname, ist es ein Kinderbuch, ein Bild? Denn davon ist abhängig, wie damit verfahren werden soll.
Namen von Straßen, Plätzen, Brücken sind tatsächlich zu ändern, sind sie doch im alltäglichen Gebrauch. Eine Visitenkarte, auf der Dr.-Karl-Lueger-Platz stünde, hätte ich nicht gerne. Da würde ich mir überlegen, ob ich dort wohnen oder arbeiten möchte. Da hilft ja keine erklärende Zusatztafel. Oder die Josef-Weinheber-Brücke auf der A1 Richtung St. Pölten unweit von Kirchstetten, wo sich der NS-Poet Weinheber am 8. April 1945 umgebracht hat – sie sollte umbenannt werden.
Bei Denkmälern verhält es sich jedoch anders. Erklärungen am Sockel nützen gar nichts. Wir wissen: Schauen schlägt Lesen, das Bild gewinnt. Sie zu sprengen, wäre ahistorisch, sie ins Museum zu verfrachten, verfehlt (warum dort anschauen und nicht im öffentlichen Raum?). Also kann dem nur durch künstlerische (Um-)Gestaltung begegnet werden. Der Einwand »Wo ist dann die Grenze, sollten wir Hitler wieder aufstellen?« ist lediglich einer Polemik geschuldet. Um der Polemik aber dennoch in der Sache zu begegnen: Die Grenze muss wie so oft im Einzelfall gezogen werden. Letztlich wird es notwendig sein, für jeden Gegenstand eine passende Lösung zu finden. Die meist jahrelange Auseinandersetzung darüber ist der wichtigste Teil.
Übrigens: Das im Mai 1976 errichtete Denkmal für den Nationalsozialisten Hans Steinacher wurde wenige Wochen danach in Folge des Ortstafelsturms von Unbekannten gesprengt. Anlässlich des 100. Jahrestags der Volksabstimmung vom 10. Oktober 1920 hat der rechte Kärntner Heimatdienst im letzten Monat in Miklautzhof/Miklavčevo ein neues Denkmal für ihn enthüllt.
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