Nichts gelernt

von Ines Schwerdtner

Am Ende hat es doch noch gereicht: Joe Biden ist der 46. Präsident der Vereinigten Staaten. Seine Regierungszeit wird den Boden für einen gewiefteren, einen gefährlicheren Trump bereiten.

Das beste Argument für Joe Biden im US-amerikanischen Wahlkampf war, dass er nicht Donald Trump ist. Obwohl es am Ende denkbar knapp wurde, lässt sich der Demokrat feiern. Dabei ist der Sieg nicht wirklich sein Verdienst. Nicht nur die Pandemie selbst, auch Trumps massives Versagen im Umgang mit ihr spielte Biden in die Hände. Die Demokraten verließen sich währenddessen auf warme Worte, anstatt ein vernünftiges Wirtschaftsprogramm zu formulieren. Obwohl die Forderung nach einer vollumfänglichen Krankenversicherung bei einer Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung beliebt ist, setzte die Partei inmitten der Gesundheitskrise nicht auf »Medicare for All«. 

Weder in der Sozialpolitik noch klimapolitisch sieht die kommende Biden-Regierung die Reformen vor, die nötig wären, um wirklich gegenzusteuern. Dem Pariser Klimaabkommen wieder beizutreten, ist zwar symbolisch ein wichtiger Akt, doch die Zusagen zum Klimaschutz sind weiterhin vage. Im Wahlkampf etwa sprachen sich sowohl Biden als auch seine Vize-Präsidentin in spe, Kamala Harris, für das Fracking aus, eine emissionsfreie Energiewirtschaft will man erst 2050 erreichen.

Im Gegensatz dazu steht der Vorschlag für einen Green New Deal. Doch zu diesem linken Reformprojekt in der Größe des historischen New Deal ließ sich Joe Biden nicht hinreißen: zu sehr verkörpert er selbst ein Partei-Establishment, das es sich mit den Unternehmen, die treue Spender seiner Kampagne waren, nicht verscherzen will. Biden ist im Grunde ein neoliberaler Kandidat wie Barack Obama, nur weitaus weniger charismatisch und populär. Unter Obama hofften viele Menschen auf change, auf weitreichende Reformen, diese Hoffnung muss man sich unter Biden erst gar nicht mehr machen. 

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