Das Pressepatriarchat

von Jannik Eder

Illustration: Lea Berndorfer

Anmerkungen zu den Vorwürfen sexueller Belästigung gegen Wolfgang Fellner, dem Zeitungswesen als Männerdomäne und der Rolle deutscher Medien für den hiesigen Journalismus.


1076 wörter
~5 minuten

In Österreich zeigt sich unverblümt, dass Medien nicht die vierte Gewalt im Staate sind, zu der man sie oft hochjazzt. Die Tage im Jahr, an denen kein Leitartikel auf die demokratiepolitische Relevanz der Medien hinweist, lassen sich an einer Hand abzählen. Wie aber sollen Medien die vierte Gewalt im Staate verkörpern, wenn sie finanziell von ihm (und seinen dominanten Kapitalfraktionen) abhängig sind? Österreichische Zeitungen leben davon, dass die Regierung emsig Inserate kauft – im letzten Jahr um 47 Millionen Euro, alles Steuergeld, was sonst. Zwei Drittel des Zasters, den die Regierung für Eigenwerbung verjubelt, gehen an die auflagenstarken Boulevardblätter: Kronen ZeitungHeuteÖsterreich. Und die zeigen Politikern gern ihre publizistischen Tore zur Hölle, wenn das Inseratengeschäft ins Stocken gerät. 

Bislang galt Wolfgang Fellner, Geschäftsführer der Mediengruppe Österreich und Herausgeber der Tageszeitung Österreich, als einer, der tun kann, was er will – seine Stellung als einer der mächtigsten Medienmacher des Landes wackelt nicht. Gründe ihn, zu ächten, gäbe es genug. Neben alltäglicher rassistischer und sexistischer Berichterstattung torpedieren Fellner-Medien regelmäßig jegliche journalistischen Ethik-Standards. Da wird schon mal über das Begräbnis eines von seinem Vater getöteten achtjährigen Kindes getickert. Oder am Tag des Terroranschlags in Wien Snuff-Videos gezeigt, auf denen die Erschießung einer Passantin, der Schusswechsel zwischen Attentäter und Polizisten und panisch flüchtende Menschen zu sehen sind. That’s infotainment. Und zwischendurch stellt Fellner selbst in seiner TV-Show eine Gästin als »sexy Betthupferl« vor. So hat es kaum Überraschungswert, dass Fellner Frauen sexuell belästigt haben soll. Drei ehemalige Mitarbeiterinnen äußerten sich mittlerweile öffentlich: Raphaela Scharf, Katia Wagner und Angela Alexa. Für Fellner gilt die Unschuldsvermutung. Am weitesten zurück liegen die von Wagner benannten Vorfälle. Während ihrer Zeit als freie Mitarbeiterin für die Mediengruppe Österreich (2014–2015) soll Fellner sie belästigt und begrapscht haben. Heute arbeitet sie bei der Konkurrenz, nämlich bei Krone.TV. Ebenso wie Raphaela Scharf, die gegenwärtig gegen ihre im Mai 2019 erfolgte Entlassung beim Fellner-Sender Oe24.TV klagt. Nachdem sie damals dem Betriebsrat und der Programmdirektorin sexuelle Belästigung durch Fellner gemeldet hatte, wurde ihr fristlos gekündigt. Aus Scharfs Sicht war das nicht rechtmäßig, aus Fellners schon: Scharf habe ihn zu Unrecht bezichtigt. Deshalb klagt Fellner wiederum auf die Unterlassung der Anschuldigungen. 

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