»Ich« und ich

von Karsten Krampitz

Erinnerungen an den Schriftsteller Wolfgang Hilbig, der dieser Tage 80 Jahre alt geworden wäre.

»Du kannst nicht sagen: Ich bin tot« ist der Satz von Wolfgang Hilbig, der sich mir ins Gedächtnis gegraben hat. Der Satz sei ein Widerspruch in sich, ein Paradoxon. Wir saßen in der Schwarzen Pumpe in Prenzlauer Berg beim Bier. Anfang der Nullerjahre war das. An dem Tag habe ich nicht gefragt, warum er wieder trinkt. Mein soziales Umfeld bestand zum großen Teil aus Säufern und Junkies; meine Eltern waren Alkoholiker, mein Bruder ebenso. Der Suff der andern war der Normalzustand. Und bei Wolfgang Hilbig freute ich mich, dass er mit mir trank. Über die Jahre hinweg ist das vielleicht vier-, fünfmal passiert. Dass ich ihn gut kannte, kann ich also nicht sagen. Noch gut erinnere ich mich an den sächsischen Singsang in seiner Stimme, den ich hier nicht wiedergeben will. Jedenfalls dachte ich damals, er sei sowas wie der letzte Sachse in Prenzlauer Berg, denn jetzt kämen die Schwaben. Mit seinem literarischen Werk habe ich mich erst viele Jahre später eingehender auseinandergesetzt – leider zu spät, um ihn noch zu befragen. Was ich sehr bedaure.

Jetzt weiterlesen? Das sind Ihre Optionen.

DIESE AUSGABE
KAUFEN

Jetzt kaufen
Erhalten Sie ab nur 8,50 Euro Ihren Online-Zugang zu allen Beiträgen dieser Ausgabe. Das gedruckte Heft erreicht Sie demnächst per Post.

JETZT
ABONNIEREN

Zu den abos
Mit einem Abo lesen Sie das TAGEBUCH online unlimitiert. Jede gedruckte Ausgabe erhalten Sie, je nach Modell, bequem per Post. Ab 29 Euro.
0

    Warenkorb

    Ihr Warenkorb ist leerZurück zum Shop