Einem der ältesten Genderklischees zufolge weinen »echte Männer« nicht. Und: Im Gegensatz zu Frauen sind sie eher sparsam im Artikulieren von Entschuldigungen. »You forgive me?« – »Forgive you for what?« – »For everything«, so beginnt gleich der erste Dialog von and i’m sorry for whatever i did (2021). In der Dreikanal-Videoinstallation der Filmemacherin Julia Niemann und der Dramaturgin Leonie Seibold begeben sich die Zuschauerinnen in eine Welt der überbordenden Emotionen. Aufgelöste, weinende, um Contenance ringende Männer bekunden ihre Reue und bitten ihre Partnerinnen, Wählerinnen, die Gläubigen der Kirche oder gleich die gesamte Menschheit um Verzeihung. In dem aus unterschiedlichsten Kontexten stammenden Material, das die Regisseurinnen zusammengetragen haben, stehen Szenen aus dem klassischen Hollywoodkino neben solchen zeitgenössischer Produktionen, Ausschnitte aus Musikvideos neben Aufnahmen historischer Momente wie dem Kniefall Willy Brandts in Warschau oder der Entschuldigung Richard Nixons nach dem Auffliegen der Watergate-Affäre, dramatische Exzerpte aus der Welt der Oper neben einer öffentlichen Entschuldigung des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg.

In der exakt durchkomponierten Aneinanderreihung und Überlagerung von Szenen gerät die Entschuldigung des Einzelnen bisweilen zur Plattitüde. Subtil spielen die Filmausschnitte darauf an, wie klischeehaft Entschuldigungen von Männern mitunter wirken, insbesondere im politischen Kontext, wenn es darum geht, einen Schlusspunkt unter unangenehme Debatten zu setzen. Sichtbar wird auch die Tendenz, sich erst zwar zu entschuldigen, um hernach die Verantwortung für das eigene Fehlverhalten zurückzuweisen (»I’m sorry, but it’s not my fault …«).

Die im Film durchscheinende Unbeholfenheit männlicher Entschuldigungen findet sich in verdichteter Form auch auf dem von Niemann und Seibold initiierten und fortlaufend ergänzten Instagram-Account »Apologizing Men«, der aktuell fast 800 Einträge umfasst. Hier reihen sich zerknirscht dreinschauende und verzweifelte Gesichter aneinander und geben einen gleichermaßen humorvollen wie phänomenologisch interessanten Einblick in eine Kulturgeschichte männlich konnotierter Entschuldigungen.

Stills aus: Julia Niemann & Leonie Seibold, and i’m sorry for whatever i did, 2021. Dreikanal-Videoinstallation (Farbe/SW, Ton), 10’21’’
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