Zu den Eigenheiten der österreichischen Medienlandschaft zählt, abgesehen vom hohen Maß an wirtschaftlicher Konzentration, die Lust an der weltanschaulichen Uniformität. Andernorts wird gestritten, hierzulande versöhnt man Gegensätze.
Das zeigte sich in den letzten Jahren unter anderem an der Wertschätzung, die als liberal geltende Redaktionen den Medienprojekten Dietrich Mateschitz’ entgegenbrachten. Um zu erkennen, dass dessen politische Agenda, vorgetragen insbesondere vom Bewegtbildkanal Servus TV, nach rechts hin weit offen ist, brauchte es mancherorts eine ganze Pandemie.
Man hätte es freilich besser wissen können. Schon Mateschitz’ 2020 eingestelltes Monatsmagazin Addendum fiel dadurch auf, seine neoliberale Ausrichtung mit dem gezielten Tritt nach unten zu verbinden: Das frühe Glanzstück »In den Fängen der Bettelmafia« etwa hätte auch gut zu Österreich gepasst.
Als ausnehmend schlicht und infam zugleich erwies sich auch eine rudimentäre Recherche, die Addendum im Jahr 2018 zu Österreichs »Polizeikommunisten« anstellte. Kurzversion: Nach 1945 hätten die Sowjets rund 1.500 Kommunisten in den Polizeidienst abkommandiert, erst dem sozialdemokratischen Innenminister Oskar Helmer sei es gelungen, dem Spuk ein Ende zu setzen.
Wie es tatsächlich dazu kam, dass unmittelbar nach Kriegsende Kommunisten in den Polizeidienst eintraten, wie ihre Karrieren vor allem nach der Reintegration ehemaliger Nazis ab 1947 verliefen, das erzählt Robert Rotifer in einer Langstrecke am Beispiel seines Großvaters Zalel Schwager.
Der Polizei, exakter: ihrer Rolle im bürgerlichen Staat, besonders seit Beginn der Corona-Pandemie, haben sich auch Christian Bunke und Lisa Kreutzer angenommen. Bunke ist für unsere Titelgeschichte dem Einsatzverhalten der Exekutive auf Anti-Maßnahmen-Demos nachgegangen und hat eine so einfache wie schlüssige These entwickelt: Wenn die Polizei einem Gegner gegenübersteht, den sie als ihresgleichen begreift, ist sie zwangsläufig verwirrt. Lisa Kreutzer wiederum hat sich ausführlich mit der Kriminalsoziologin Andrea Kretschmann über die Rolle der Polizei im Staat und über die Vorstellung einer Gesellschaft, die ohne sie auskommt, unterhalten.
Kritik am Einsatzverhalten der Polizei bei Anti-Maßnahmen-Demonstrationen kann übrigens auch ohne die Forderung nach noch repressiveren Polizeitaktiken auskommen. Wünschenswert wäre bloß, die Nachsicht der Exekutive fände ihr Ende nicht verlässlich dort, wo emanzipatorischer Protest überhaupt erst Anlauf nimmt.
Verlässlich zeigt sich die eingangs erwähnte Uniformität der österreichischen Presse (im Sinne einer geteilten, klassengebundenen Weltsicht) auch dann, wenn es ans Eingemachte geht: die Außenpolitik. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine verliert man sich hierzulande in der medialen Marginalisierung (wo möglich) und Diskreditierung (wo nötig) antimilitaristischer Positionen. Dabei wäre es einfach: Putins Krieg ist uneingeschränkt zu verurteilen. Das geht auch, ohne einer weiteren Eskalation das Wort zu reden oder sich in folgenschweren Aufrüstungsfantasien zu ergehen.
Es waren keine glücklicheren, wohl aber unzweideutigere Zeiten, da wusste man: Im imperialistischen Krieg verlieren diejenigen, die unten stehen, und es profitieren jene, die es sich oben gemütlich gemacht haben. Der Befund gilt unvermindert, nicht zuletzt für die einfachen Menschen in der Ukraine wie in Russland. Sie werden den Preis zu zahlen haben, der derzeit waghalsig nach oben getrieben wird.
Würde man dahinter nicht Absicht, stattdessen Unbedarftheit vermuten, man käme um den Rat nicht umhin: Lest Bertha von Suttner, lest Karl Liebknecht! Für den Anfang ließe sich auch nur mit Überschriften arbeiten. Zum Beispiel: »Die Waffen nieder«. Oder und vor allem: »Der Hauptfeind steht im eigenen Land.«
(Das Editorial im gedruckten Heft enstand vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Die hier veröffentlichte Version wurde daher adaptiert und aktualisiert.)
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