Ende Dezember 1979 startete die sowjetische Armee eine Militärintervention in Afghanistan, die über zehn Jahre andauern und deren Scheitern eines der vielen Elemente für den späteren Zusammenbruch der Sowjetunion darstellen sollte. Der Westen beziehungsweise die NATO nahm sie zum Anlass für eine weitere Aufrüstung und eine Politik der Spannung im Kalten Krieg. Dies wiederum war der Auslöser für die bis dahin größte Welle der Friedensbewegung in Europa und den USA. Im Wiener Tagebuch formulierte eine kurze Notiz ohne Autorenangabe bereits im Februar 1980 zwei wichtige Grundpositionen: Erstens, die Invasion in Afghanistan ist eine nicht zu rechtfertigende Souveränitätsverletzung. Zweitens, der Westen trägt Mitschuld am Heraufziehen dieser Invasion und nutzt diese für Aufrüstung und Konfrontation. Es ist verblüffend und symptomatisch zugleich, in welchem Maße diese 42 Jahre alte Notiz auf den im Februar begonnenen Krieg Russlands gegen die Ukraine umgelegt werden kann.
Aufwind für Kalte Krieger
»Das neue Jahrzehnt hat nicht gut begonnen; der Einmarsch der Sowjettruppen in Afghanistan hat zu einer außerordentlichen Verschärfung der weltpolitischen Lage geführt. Niemand außer den engsten Verbündeten Moskaus hat diesen Einmarsch gebilligt. Die Leitung der Kommunistischen Partei Italiens bezeichnet ihn als ›eine Verletzung der Prinzipien der nationalen Unabhängigkeit und Souveränität‹, und die spanischen Kommunisten ›sagen Nein zur Intervention der sowjetischen Streitkräfte vom revolutionären und Klassenstandpunkt aus‹. Moskau stellt den Einmarsch als einen Akt der ›Hilfeleistung‹ aufgrund gegenseitiger Vertragsverpflichtungen dar. Man habe sie aus Kabul gegen reaktionäre Aufständische zur Hilfe gerufen. Doch jene, die Sowjettruppen ins Land riefen, taten dies im Auftrag Moskaus. Die Methode ist bekannt. Der sowjetische Einmarsch in Afghanistan ist der Akt einer Supermacht, die ohne Rücksicht auf die Souveränität eines fremden Landes sich an einem vorgeschobenen Punkt der Weltpolitik ein wichtiges Stück ihrer Einflußsphäre sichern will.
Gerade deshalb gibt es bei der anderen Supermacht eine an Kriegshysterie grenzende Reaktion. Dabei muß festgehalten werden, daß tatsächlich an diesem empfindlichen Schnittpunkt der Weltpolitik die verschiedenen Geheimdienste der USA, in enger Zusammenarbeit mit dem pakistanischen Diktator, alles unternommen haben, um in Afghanistan moslemische Aufständische, die im offenen Aufstand gegen die Regierungen Taraki und Amin standen, zu bewaffnen und in Aktion zu halten. [...] Der sowjetische Einmarsch hat eine völlig neue Situation geschaffen. [...]
[J]etzt geht es um die Hauptfront der Auseinandersetzung der Supermächte: [...] jetzt geht es um Stützpunkte, Verbindungslinien und letzten Endes ums Erdöl. Die Politik der Entspannung wird als beendet dekrediert [sic!], die Methoden des Kalten Krieges treten in den Vordergrund.«
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