Wozu man Autor wird
von Stefan Schmitzer
Bei Erasmus Schöfer war Sprache beides: Medium sowohl der Erzählung als auch des politischen Programms. Am 7. Juni ist der Mitgründer des Werkkreises Literatur der Arbeitswelt in Köln gestorben.
(…) Er hat gelernt, dass es nur absichtliche Verschleierungen gibt und noch unaufgeklärte Sachverhalte. Zufälle verdanken ihr Erscheinen in der Menschenwelt unzureichenden Erkenntnissen des forschenden Verstands, der den komplexen WirkungsZusammenhängen der Realität nicht gewachsen ist. Der sich da erst allmählich reinarbeitet. Einnistet. Der die Wirklichkeit durchwühlt. Der irgendwann alle Ursachen erkennen und die Zukunft berechnen wird.
Erasmus Schöfer, Die Kinder des Sisyfos
Ein Symposion vor einigen Jahren: Impulsreferat eines jungen Autors, der eben Aufsehen erregt hatte, mit einem Feuilletonbeitrag, in dem es um die Selbstverständlichkeit ging, dass Bürgerkinder es leichter als Proletenkinder hätten, im Literaturbetrieb Fuß zu fassen – also im Wesentlichen mit einem auf zeitgenössisch-deutsche Verhältnisse angewandten und durch lebensnahe Beispiele unzweideutig illustrierten Exzerpt von Bourdieus Die Regeln der Kunst. Der Autor in der anschließenden Diskussion, extemporierend, sinngemäß: Erschreckenderweise sei es ja auch ihm selbst unmöglich, sich mit seinen Texten ganz außerhalb des Statusspiels der Mittelverteilung im literarischen Feld zu stellen. Was zum Beispiel von seinem gegenständlichen Beitrag bleiben werde, sei nicht dessen diskursiver Impuls, sondern nur, dass dieser Impuls sich in einer Anzahl an beruflichen Gelegenheiten für ihn, den Autor, abbilden werde. Man könne die Mechanismen von Ein- und Ausschluss eben nicht hintergehen – man müsse sie viel mehr strategisch nützen. Und wohl wollte der Vortragende an dieser Stelle zur Volte ansetzen, wie solch strategische Nützlichkeit dann doch solidarisch gedacht werden könne – da regte sich eine nüchterne Gegenstimme im Raum: »Aber dafür wird man doch nicht Autor!«
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