Die Wahrscheinlichkeit, im Lauf der zweiten Lebenshälfte selbst eine Angehörige oder einen Angehörigen zu pflegen, ist mit 65 Prozent wesentlich höher als allgemein vermutet.« Das ist eine der Kernaussagen einer Kurzstudie der Sozioökonominnen Andrea E. Schmidt und Lisa Hanzel aus dem Juli 2020. Die demografischen Daten der Statistik Austria untermauern diesen Befund: Gibt es gegenwärtig in etwa gleich viele Menschen in den Personengruppen der unter 20- und über 65-Jährigen, wird sich die Waage im Jahr 2050, mit einem Plus von knapp 700.000 Menschen, deutlich in Richtung Ü65 senken. Im Sinken ist auch die Zahl jener Menschen begriffen, die sich im sogenannten erwerbsfähigen Alter, also zwischen 20 und 65 Jahren, befinden. Diese fällt von 5,5 auf nicht einmal mehr 5,2 Millionen Menschen. Die Berechnungen legen nahe, dass im Jahr 2050 in Österreich 27 Prozent der Gesamtbevölkerung über 65 Jahre alt sein werden. Heute sind es rund 20 Prozent.
In Bezug auf das Pflegesystem bedeutet das, dass es in Zukunft einen deutlich höheren Bedarf an Pflegekräften geben wird – und gleichzeitig weniger potenzielle Arbeitskräfte. Ulrike Famira-Mühlberger, Stellvertretende Direktorin des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), war unter Ex-Minister Rudolf Anschober (Grüne) Mitglied der Pflege-Taskforce des Sozialministeriums. Sie erklärte erst unlängst, dass »es schwierig ist, genug Personal für Pflegeberufe zu rekrutieren. Auch und vor allem in der Zukunft.« Unmittelbarste Folge dieser Entwicklung: Die Kosten für Pflege und Betreuungskosten werden empfindlich steigen. »Wir sehen eine Steigerung der öffentlichen Ausgaben für Pflegedienstleistungen von 80 Prozent bis 2030 gegenüber 2016. Wesentlich höhere Steigerungsraten sind in den Jahren nach 2035 zu erwarten, wenn die Babyboomer-Generation der 1960er Jahre ins pflegebedürftige Alter kommt.«
Während der Corona-Pandemie erhielten die Beschäftigten im Pflege- und Gesundheitsbereich für einen kurzen Moment Aufmerksamkeit, der gesellschaftliche Wert ihrer Dienstleistungen wurde deutlich. In Erinnerung sind jene Bilder, als Menschen von ihren Fenstern aus den Arbeitenden im Gesundheits- und Pflegebereich applaudierten: eine kurze, immerhin symbolische Anerkennung. Zugleich wurde damals schon sichtbar, woran das System, in dem diese Dienstleistungen eingebettet sind, krankt: Es fehlt an Personal, Geld und dann doch wieder an Anerkennung.
»Zu Beginn der Pandemie haben wir viel Applaus bekommen«, bestätigt Roxana R., die seit 20 Jahren als 24-Stunden-Pflegerin arbeitet. »Wir sind als Heldinnen gefeiert worden, weil wir das österreichische Pflegesystem gerettet haben. Zugleich sind unsere Arbeitsbedingungen aber schlechter geworden. Turnusse sind auf acht oder sogar zwölf Wochen verlängert worden, dazu ist dann noch eine zweiwöchige Quarantäne im Heimatland und vor Turnusantritt in Österreich gekommen.«
Selbst Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) konstatierte anlässlich der Verkündung seines Pflegereformpakets im letzten Frühjahr: »Klatschen allein ist zu wenig!« Ob das angeblich »größte Reformpaket der letzten Jahrzehnte« mit rund »einer Milliarde Euro bis zum Ende der Gesetzgebungsperiode« die Rahmenbedingungen für die Menschen, die im Care-Bereich tätig sind, substanziell verbessern wird, muss sich erst weisen. Ebenso, welche Verbesserungen die Pflegereform insbesondere für die 24-Stunden-Betreuerinnen bringen soll.
Genese des Pflegesystems
Bis heute geht die Aufrechterhaltung des Pflegesektors in Österreich mit der Ausbeutung der fast ausschließlich migrantischen Arbeitskräfte Hand in Hand. In den frühen 1990er Jahren, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, entwickelte sich hier und in anderen (west-)europäischen Staaten ein System von migrantischen 24-Stunden-Pflegekräften aus Osteuropa. Die Gründe dafür waren vielfältig, der wichtigste: ein Mangel an Care-Arbeiterinnen im eigenen Land. In den benachbarten Ländern des ehemaligen Ostblocks dagegen gab es Fachkräfte, meist Frauen, die ohne Arbeit waren und die Möglichkeit, in Österreich zu arbeiten, attraktiv fanden. Das starke Wohlstandsgefälle brachte es mit sich, dass diese Arbeiterinnen mit dem Einkommen in ihren Herkunftsländern ein relativ gutes Leben führen konnten. Während sich die Kaufkraftunterschiede im Laufe der Jahre immer mehr anglichen, existiert das System nach wie vor. Es sieht vor, dass die Care-Arbeiterinnen für zwei bis vier Wochen rund um die Uhr in den jeweiligen Haushalten sowohl arbeiten als auch leben und anschließend wieder in die Herkunftsländer zurückfahren.
Begünstigt wurde dieses System durch das Pflegegeld, das 1993 in Österreich eingeführt wurde. Durch die staatliche Unterstützung von privaten Pflegeleistungen wurde es für Angehörige und Pflegebedürftige attraktiv, zumindest für jene, die es sich leisten konnten und die räumlichen Voraussetzungen hatten, die Dienstleisterinnen zu sich nach Hause zu holen. Das Pflegegeld bietet jedoch keine Grundfinanzierung, sondern ist ein Zuschuss, der sich am Bedarf orientiert: Die entsprechenden Versicherungsstellen ermitteln die Pflegestufe, und aus dieser errechnet sich dessen Höhe.
Das Besondere daran ist, dass es sich beim Pflegegeld um keine Versicherungsleistung handelt, sondern dieses von allen Menschen mit einem gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich beansprucht werden kann. Deutschland führte dagegen im Jahr 1995 im Rahmen des Sozialversicherungssystems eine Pflegeversicherung ein. Bei dieser Versicherungsleistung wurde primär an eine häusliche Pflege durch Angehörige oder Nachbarn gedacht. In ihrem Buch Gute Sorge ohne gute Arbeit?, das auch einen Ländervergleich der Care-Arbeit beinhaltet, weisen Brigitte Aulenbacher, Helma Lutz und Karin Schwiter darauf hin, dass im Jahr 2017 in Deutschland »gut drei Viertel der insgesamt 3,4 Millionen Pflegebedürftigen zu Hause betreut« wurden, »über die Hälfte von ihnen« von Angehörigen »ohne die Hilfe ambulanter Pflegedienste«. Den überwiegenden Anteil der Pflegearbeit, es sind zwei Drittel, tragen dabei weibliche Familienangehörige, also Partnerinnen, Töchter und Mütter der betroffenen Personen. Ein Hauptgrund neben den patriarchalen Familien- und Gesellschaftsstrukturen sind die niedrigen Pflegegeldsätze, die einen Rückgriff auf innerfamiliäre Care-Arbeit oder eben auf migrantische Arbeitskräfte notwendig machen.
Trotz der unterschiedlichen Ausrichtung der beiden Pflegesysteme gleichen sich die Entwicklungen in Deutschland und Österreich an. Auch hierzulande wurde ein System etabliert bzw. stabilisiert, das neben der innerfamiliären Betreuung, die meist von Frauen geleistet wird, auf Dienstleistungen weiblicher, migrantischer Arbeitskräfte setzt. Andrea E. Schmidt und Lisa Hanzel zufolge werden in Österreich 42 Prozent der Pflegebedürftigen von den Angehörigen, 32 Prozent von mobilen Pflegediensten und 16 Prozent stationär betreut. Rund 5,4 Prozent nehmen eine 24-Stunden-Betreuung in Anspruch. Bemerkenswert ist überdies ein starkes Stadt-Land-Gefälle, das auch mit der schlechten Versorgungslage im ländlichen Raum zusammenhängt. Die Pflege zu Hause hat nicht nur eine fachliche oder weltanschauliche Dimension, sondern auch eine ganz banal ökonomische: Die Kosten der 24-Stunden-Betreuung belaufen sich auf etwa 60 bis 90 Euro pro Tag, in den Pflegeheimen liegen sie zwischen 100 und 300 Euro.
Reform eines Graubereichs
In ihrem Aufsatz »Von der 24-Stunden-Betreuung zur Personenbetreuung« beschreibt die Sozialwissenschafterin Almut Bachinger dieses System als ein »Anreizsystem« in »Richtung familiärer oder informeller Arbeit«, da durch diese Geldleistung die »finanzielle Basis für bezahlte Sorgearbeit« erweitert worden sei. »Das Zusammenwirken von Faktoren wie geografische Nähe, soziale Netzwerke, Bedarf an Arbeitskräften, sozialstaatliche Geldleistungen, welche die Nachfrage stimulieren, Arbeitsmarktbeschränkungen und bürokratische Hürden, die ein irreguläres Beschäftigungssegment hervorbringen, von Faktoren also, die zu einem ganz wesentlichen Teil auf sozial-, arbeitsmarkt- und migrationspolitischen Regulierungen basieren und durch sie hergestellt werden – das bildet eine Gelegenheitsstruktur für die Herausbildung der 24-Stunden-Betreuung«, so Bachinger.
Dieses unregulierte System wurde lange Zeit weitgehend geduldet – obwohl es zur Folge hatte, dass migrantische Pflegerinnen über Jahre und Jahrzehnte ohne arbeits- und sozialrechtliche Absicherung in österreichischen Familien arbeiteten und lebten. Das änderte sich erst im Sommer 2006. Österreich befand sich im Wahlkampf, der amtierende Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) musste um seine Wiederwahl bangen. Just zu diesem Zeitpunkt wurde öffentlich bekannt, dass Schüssels Schwiegermutter von einer »illegalen« slowakischen Pflegerin betreut wurde – ein »Graubereich«, wie Schüssel schließlich zugab. Die im folgenden Jahr verabschiedete Pflegereform sollte diesem Graubereich einen legalen Anstrich verpassen und die gewachsenen Strukturen rechtlich absichern. Die bisherigen Arbeitsverhältnisse wurden zunächst entkriminalisiert, eine strafrechtliche Verfolgung blieb sowohl den Familien als auch den Pflegerinnen erspart. Das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) wurde geändert, die Gewerbeordnung durch die Einführung des Personenbetreuungsgewerbes ergänzt und den Care-Arbeiterinnen somit die Tür zum Unternehmertum geöffnet. Im neu verabschiedeten Hausbetreuungsgesetz (HbeG) wurden drei mögliche Beschäftigungsformen festgelegt: Die Pflegerinnen arbeiten seither entweder unselbstständig, in Anstellung bei einem Wohlfahrtsträger bzw. dem betreffenden Haushalt oder selbstständig als gewerbliche Personenbetreuerinnen. Die ersten beiden Anstellungsformen sind mit knapp 0,1 Prozent eine vernachlässigbare Größe, der überwiegende Teil arbeitet seither selbstständig. Laut Bachinger dienten die Reformpakete dazu, »das in der langjährigen, bis dahin irregulären Praxis etablierte Modell der 24-Stunden-Betreuung rechtskonform zu gestalten«. Die Interessen der Nutzer seien dabei klar im Vordergrund gestanden.
»Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich in Westeuropa ein Modell durch, das auf ein Normalarbeitsverhältnis und einen ausgebauten Wohlfahrtsstaat abstellte. Hinzu kam ein Familienmodell, das den Mann an die Spitze und als Ernährer setzte. Die Sorgearbeit fiel in den Bereich der unbezahlten Hausarbeit.«
Ein weiterer wichtiger Aspekt betraf die Regulierung der Tätigkeitsbereiche von Betreuerinnen und Pflegerinnen, denn nach dem HbeG dürfen Betreuerinnen keine Pflegetätigkeiten durchführen. Da aber den Care-Arbeiterinnen, die in einer 24-Stunden-Betreuung tätig sind, umfassende Aufgaben zukommen, die von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten über soziale und emotionale Ansprache bis hin zu Pflege reichen, wurde in der Folge auch das Gesundheitsberufe-Rechtsänderungsgesetz novelliert. Seither ist es auch erlaubt, krankenpflegerische Tätigkeiten unter Anleitung durchzuführen. Um die Qualität der Leistungen zu gewährleisten, müssen freilich Qualifikationsnachweise erbracht werden, die auch stichprobenartig kontrolliert werden.
Drei Regime, drei Ungleichheitskategorien
Almut Bachinger beschreibt das »Pflege- und Betreuungssystem« in Österreich als »Regime«, also als die »Gesamtheit der Politiken, Praktiken, Normen und Diskurse sowie sozialen Verhältnisse und Konflikte«, die das jeweilige Feld bestimmen. Wobei im konkreten Fall gleich drei Regime zusammenwirken würden: Arbeitsmarkt-, Migrations- und Care-Regime.
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich in Westeuropa ein Modell durch, das auf ein Normalarbeitsverhältnis und einen ausgebauten Wohlfahrtsstaat abstellte. Hinzu kam ein Familienmodell, das den Mann an die Spitze und als Ernährer setzte. Die Sorgearbeit fiel in den Bereich der unbezahlten Hausarbeit. Der gesellschaftspolitische Wandel seit den 1970er Jahren brachte dagegen nicht nur verschiedene Schritte der Frauenemanzipation mit sich, sondern markierte auch den Beginn einer neoliberalen Umgestaltung von Staat und Wirtschaft. Der Wettbewerb als neuer Leitstern förderte den Abbau von wohlfahrtsstaatlichen Elementen, eine Flexibilisierung und Prekarisierung der Erwerbsarbeit, aber auch eine Diversifizierung von Lebensformen und ein Familienmodell, das von zwei Verdienenden, dem »adult worker model«, ausgeht.
In dieser Transformationszeit begann die Kommodifizierung der Sorgearbeit und hier vor allem die der Betreuungs- und Pflegearbeit. Die Branche entwickelte sich zu einem Billiglohnsektor mit wenig gesellschaftlicher Anerkennung, in der meist migrantische, weibliche Arbeitskräfte tätig waren und bis heute sind. »Wer aus einem osteuropäischen Land kommt«, sagt Roxana R., »bekommt gleich ein Etikett verpasst, nämlich arm und dumm zu sein, besonders als Frau. Eine Frau, die arm und dumm ist, verdient keine Rücksicht und keinen Respekt und darf als Mensch zweiter Klasse behandelt werden. Eine Frau, die als arm und dumm gilt, darf man auch mit einem Stundenlohn von zwei bis drei Euro abfertigen.« Tatsächlich sind die Pflegerinnen, insbesondere die 24-Stunden-Betreuerinnen, von gleich drei Ungleichheitskategorien be- und getroffen: Sie sind Frauen, Migrantinnen und Arbeiterinnen – ein Strukturverhältnis als Gewaltverhältnis, wie Roxana R. erzählt: »Die Gewalt in diesen Arbeitsverhältnissen beginnt damit, dass eine Betreuerin immer nur die Wahl hat, vorgefundene Arbeitsbedingungen zu akzeptieren oder den Arbeitsplatz zu verlassen. Schließlich endet es immer wieder in körperlicher Misshandlung oder sexueller Gewalt. Die Täter sind Angehörige oder auch betreute Personen. Es ist schwer zu ertragen, wenn Kolleginnen diese Misshandlungen erdulden, ohne sich zu wehren, und sogar ihren Turnus noch fertig absolvieren. Oft ist es die Scham, die sie davon abhält, aber meistens ist es einfach die finanzielle Not.«
Macht der Vermittlungsagenturen
Eine zentrale Funktion in der Ausbeutung der Betreuerinnen nehmen die Vermittlungsagenturen ein. Auf der Homepage der IG24 werden die Probleme mit den Agenturen von Simona Durisova folgendermaßen zusammengefasst: »Abgesehen von ihrer eigentlichen Aufgabe, der Vermittlungstätigkeit, agieren die Agenturen oft so, dass sie in die Kompetenzen der formal selbstständig tätigen Betreuerinnen eingreifen. Die Arbeitsbedingungen der Betreuungskräfte werden durch die Agenturen vorbestimmt und Vollmachten bezüglich des Gewerbes oder Inkassovollmacht an sie übertragen. Ebenso organisieren einige Agenturen den Transport der Betreuerinnen nach Österreich. Darüber hinaus intervenieren die Agenturen in das Betreuungsverhältnis, wenn sich Probleme zwischen Betreuerinnen und Betreuungsfamilien ergeben.« Da die Agenturen untereinander in einem Konkurrenzverhältnis stehen, gibt es zudem einen starken Lohndruck. Roxana R. beschreibt das ungleiche Dreieck zwischen Betreuerinnen, Vermittlungsagenturen und Betreuungsfamilien aus ihrer Perspektive: »Eigentlich ist offiziell die Rede von Zusammenarbeit, aber in der Realität ist es die völlige Unterordnung unter die Agenturen. Sie diktieren alles, das Honorar, den Arbeitsplan, Arbeitsbedingungen wie Pausen, den Zustand des Zimmers oder die Höhe des Essensbeitrags und die Regeln am Arbeitsplatz.« Als Unternehmerinnen sind die 24-Stunden-Betreuerinnen Mitglied der Wirtschaftskammer, in der auch die Vermittlungsagenturen Mitglied sind. Dieser Interessenkonflikt wird dadurch verstärkt, dass in der Fachgruppe »Personenberatung und Personenbetreuung« Vertreter von Agenturen in führenden Positionen zu finden sind. Die Frage, ob 24-Stunden-Betreuungskräfte Unternehmerinnen oder Arbeitnehmerinnen sind, wird demnächst ein Gericht zu klären haben. Die IG24 bereitet sich auf einen entsprechenden Prozess vor (siehe dazu auch das Gespräch mit Anna Leder).
»Zu überlegen wäre: Welchen Stellenwert hat die Betreuung und Pflege von Menschen in einer Gesellschaft? Wie lassen sich für und mit den arbeitenden Menschen in den Gesundheits- und Pflegeberufen bessere Arbeitsbedingungen, korrekte und sichere Anstellungsverhältnisse sowie eine höhere Entlohnung erkämpfen?«
Abgesehen von der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung wirft die Verfasstheit des Betreuungs- und Pflegesystems in Österreich auch Fragen zur geschlechtlichen Arbeitsteilung und vor allem zur Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums auf. Das betrifft sowohl die pflegenden und betreuenden Angehörigen als auch die Dienstleisterinnen. Zu überlegen wäre: Welchen Stellenwert hat die Betreuung und Pflege von Menschen, die Sorgearbeit im Generellen, in einer Gesellschaft? Wie lassen sich für und mit den arbeitenden Menschen in den Gesundheits- und Pflegeberufen bessere Arbeitsbedingungen, korrekte und sichere Anstellungsverhältnisse sowie eine höhere Entlohnung erkämpfen? Nicht zuletzt: Welche öffentlichen Pflegeangebote, die sich am individuellen Bedarf orientieren und allen Menschen in vollem Umfang zur Verfügung stehen, braucht es, damit Sorgetätigkeiten nicht länger fast ausschließlich von Frauen geschultert werden?
Antworten auf diese Fragen würde sich nicht nur Roxana R. wünschen. Dann könnte sie, was ihr wichtig ist, auch einmal davon erzählen, warum sie ihren Beruf gerne ausübt, was sie an ihm mag und schön findet: »Mit alten Menschen Zeit zu verbringen und an ihren Lebensgeschichten teilzuhaben. Jeder Mensch ist anders, jeder hat eine eigene besondere Geschichte.«
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