Theodor Prager (1917–1986) studierte im englischen Exil Ökonomie und war dort im engen Kontakt sowohl mit kommunistischen Intellektuellen als auch mit Vertreterinnen der sich etablierenden keynesianisch inspirierten Wirtschaftswissenschaft. Zurück in Österreich engagierte er sich in der KPÖ, war zugleich ab den 1960ern Mitarbeiter der von Eduard März gegründeten wirtschaftspolitischen Abteilung der Arbeiterkammer. 1968 verließ er mit vielen anderen Intellektuellen die KPÖ, gehörte fortan zum Kreis um das Wiener Tagebuch, wurde deren wichtigster wirtschaftspolitischer Kommentator. In einer kurzen Glosse 1982 umriss er einen Gedanken, der später den Kern von Thomas Pikettys Kapital des 21. Jahrhunderts (2013) ausmachen sollte: Eine wachsende Ungleichheit von Einkommen und – vor allem – Vermögen wohnt dem Kapitalismus systemisch inne. Umverteilung sei deshalb, so Prager angesichts der ökonomischen Stagnation Anfang der 1980er Jahre, kein Thema, das man auf Momente einer guten Wirtschaftsentwicklung beschränken dürfe, sondern in jeder Konjunkturphase vonnöten.
Theodor Prager
Umverteilung – eine ständige Aufgabe
»Umverteilung ist im Begriff, ein schmutziges Wort zu werden. Anständige Leute nehmen sowas nicht in den Mund. Oder bestenfalls nur dann, wenn es zeitgemäß ist. Derzeit ist dergleichen aber ganz und gar unzeitgemäß. Wieso eigentlich? Weil, so wird lichtvollerweise erörtert: Es gibt jetzt nichts umzuverteilen!
Man könnte glauben, die Produktion sei zum Stillstand gekommen, jegliche Wertschöpfung habe sich aufgehört, der Prozeß der Einkommensbildung gehöre ganz und gar der grauen Vergangenheit an. In Wirklichkeit wird aber heuer wieder ungefähr ebensoviel gearbeitet, erzeugt, verkauft und verdient wie in den letzten Jahren, also nicht wenig. Zwar gibt es nur ganz, ganz bescheidene Produktions-etc.-Zuwächse, aber das erreichte Produktions- und Einkommensniveau ist immer noch ansehnlich.
Da aber Einkommen sowie Vermögen reichlich ungleich verteilt sind, gib es selbst im Rahmen der jetzigen Größenordnung einen beachtlichen Spielraum für Umverteilungen. Und da weiters dem normalen Prozeß der Einkommens- und Vermögensbildung eine ständige Tendenz zur Polarisierung innewohnt (wo Tauben sind, fliegen Tauben zu), ist Umverteilung nicht nur möglich, sondern auch notwendig. Andernfalls würden nämlich die Ungleichheiten so arg, daß sie den Zusammenhalt und die Stabilität der Gesellschaft gefährden müßten. Umverteilung ist also eine permanente Aufgabe für jede, sicherlich aber für eine demokratische Ordnung, und erst recht für eine sozialdemokratische Regierung. Eine Sozialdemokratie, die nicht ständig um solche Korrekturen und Reformen ringt, hat sich aufgegeben.«
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