Märchenkönigin mit realen Fußabdrücken

von Richard Schuberth

Illustration: Aelfleda Clackson

Einige disparate Gedanken zum Ableben von Queen Elizabeth II.


351 wörter
~2 minuten

In einer der vielen Zeit im Bild-Sendungen nach ihrem Ableben wurde die Queen als »Mutter der Welt« bezeichnet. Ich dachte immer, das sei Lucy aus Äthiopien gewesen. Lucy wurde nur 25 Jahre alt, aber auch eingedenk des unübertrefflichen Genmaterials der Windsors hätte sie mit acht Chauffeuren, 17 Leibwächtern, neun Hofköchen, 600 Millionen Pfund Privatvermögen und keinen größeren Problemen als einer missratenen Brut und einer renitenten Schwiegertochter bestimmt 40 werden können.

Vielleicht ist es bloß der Neid. Meine Vorfahren waren nur niederen Adels. Slowakische Bauern, die von Maria Theresia nobilitiert wurden, weil sie Preußen abmurksten. Verdienstadel also, im Gegensatz zum alten Adel, der seine Noblesse durch Abmurksen von Bauern erhielt, per Schutzerpressung und Aneignung bäuerlicher Produktivität, durch »Eroberung, Unterjochung, Raubmord, kurz Gewalt« (K. Marx).

Nach dem Tod des längstgedienten Popstars der Geschichte war es besonders aufschlussreich, in den sozialen Medien bei linken Disputen zu kiebitzen. Kritikerinnen und Verteidiger einte der Umstand, dass jenes Feld, das zum Verstehen des royalen Glamours unerlässlich ist, nämlich die Kritik der Kulturindustrie und der medialen Konstruktion projektiver Übermenschen, in ihren Überlegungen keine Rolle spielte. Die Selbstverständlichkeit des postreligiösen und marktförmig vermittelten Bedürfnisses nach Stars scheint zum Anthropologikum geworden zu sein. Wer sich Fragen stellt, was diese – wie es Günther Anders nannte – »Verbiederung« mit fetischisierten Sachen und Menschen mit Ideologie, kollektivem Narzissmus, Verdinglichung und Kapitalismus zu tun hat, gilt entweder als naiver Nachzügler normativer Wahrheitsillusionen oder elitärer Verächter des Identitätssupermarkts und seiner Konsumenten.

Dadurch, dass sich die angeblich nur symbolische Herrscherin samt ihrer Familie selbst in die Schutzherrschaft des Pop begab, wurde der Kolonial- und Klassencharakter ihrer Existenz quasi suspendiert. Simsalabim, alles nur Bricolage. Dort figurierte sie als die gute Königin, never really amused about her mean prime ministers. Weder hat sie aber je deren Politik kritisiert noch von ihrem Recht Gebrauch gemacht, die Todesurteile für so viele antikoloniale Widerstandskämpfer aufzuheben.

Somit ist die einzige Königin, die ich gelten lasse, meine Mutti, und die musste mehr ertragen als eine zehn Kilo schwere Krone – unter anderem mich.

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