Wegweiser und Resümee
von Trautl Brandstaller
Wie wir die imperiale Lebensweise überwinden und die sozial-ökologische Transformation umsetzen
EUR 20,60 (AT), EUR 20,00 (DE), CHF 28,90 (CH)
Einen Wegweiser aus den Vielfachkrisen der Gegenwart will der Politologe Alexander Behr mit seinem Buch Globale Solidarität anbieten. Und er weist im Untertitel auch darauf hin, an welchen Hauptthesen er sich orientiert: an der »imperialen Lebensweise«, der 2017 in Buchform erschienenen, äußerst erfolgreichen und in viele Sprachen übersetzten Analyse der ungleichen globalen Verhältnisse von Ulrich Brand und Markus Wissen.
Im ersten Kapitel sucht Behr nach den Ursachen der sozial-ökologischen Krisen und stützt sich dabei auf die vielfach vorhandene Literatur, ohne den Anspruch auf eigene neue Thesen zu erheben. Seine Stärke liegt vielmehr darin, persönliche Erfahrungen in konkreten Initiativen gemacht zu haben und sowohl sein theoretisches Wissen als auch seine Erfahrungen in klarer, einfacher Sprache zu vermitteln (er arbeitet auch als Radio-Journalist).
Die strukturelle Gewalt, die alle unsere Lebensbereiche prägt, sei die Folge des Wachstums- und Expansionsdranges des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Seit der neoliberalen Konterrevolution unter Margaret Thatcher und Ronald Reagan nehme diese strukturelle Gewalt zu. Parallel zu einer starken Geld- und Vermögenskonzentration gehe die Schere zwischen Real- und Finanzwirtschaft immer weiter auf. Die riesigen Summen, die auf den Finanzmärkten zirkulieren, sowie der Steuerwettbewerb zwischen den Staaten führten zu massiver Steuerflucht in sogenannte Steueroasen.
Die von Marx beobachtete »ursprüngliche Akkumulation« habe nicht nur eine bestimmte historische Phase betroffen, sondern sollte als bis heute andauernder Prozess verstanden werden. So verschärfe der neoliberale Kapitalismus die sozialen Konflikte in Afrika, Indien und Asien. Der Kolonialismus gehe auch nach der formellen Aufhebung der Kolonien weiter, der Neokolonialismus (zu dessen Vorreitern heute auch Russland und China zählen) kaufe Ackerflächen auf, zerstöre lokale Landwirtschaft und investiere in den Abbau von Rohstoffvorkommen. Dass Millionen von Migranten und Migrantinnen aus Afrika, Indien und Asien in den globalen Norden strömen, könne bei einer solchen Welt-Unordnung niemanden überraschen.
Heftige Kritik übt Behr an der Politik der Europäischen Union und der Vorverlagerung ihrer Grenzen nach Afrika. Die seit Jahrzehnten praktizierte Tendenz zur Abschottung habe Europa zu einer militärisch abgesicherten Festung gemacht.
Nach einem kurzen Rückblick auf die Geschichte sozialer Bewegungen und deren Scheitern geht Behr auf die neuen Bewegungen ein, die nicht mehr die Staatsmacht erobern, sondern das gesellschaftliche Bewusstsein verändern wollen. Dass dabei neue Institutionen eine wichtige Rolle spielen könnten, weiß auch Behr. Ein wichtiges Gegengewicht zu globaler Unsolidarität sieht Behr in lokalen bäuerlichen Initiativen, die im Kampf gegen die multinationalen Konzerne eigene Produktionsgenossenschaften gründen.
Behr, auf den Spuren Ulrich Brands, fordert zum Schluss eine Doppelstrategie: eine Änderung unseres Konsumverhaltens als ersten Schritt zur Politisierung und breit angelegte Lern- und Aufklärungsprozesse in politischen Kampagnen. Mit seinem Buch, einem übersichtlichen Resümee des derzeitigen Wissens- und Aktionsstandes zur ökologischen und sozialen Transformation unserer Gesellschaft, hat Behr selbst einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung geleistet. Besonders positiv: seine Warnung vor Alarmismus und sein Hinweis auf Gramscis Forderung, »dem Pessimismus der Vernunft sollte immer der Optimismus unseres Willens gegenüberstehen«.
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