Blinde Liebe

von Sonja Luksik

Illustration: Ūla Šveikauskaitė

Die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft ermittelt konsequent gegen die ÖVP, diese bläst zum Gegenangriff. Und Linke haben verblüffend romantische Gefühle für die Justiz.


353 wörter
~2 minuten

Seit die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft (WKStA) mit den Ermittlungen gegen die ÖVP, Ex-Kanzler Sebastian Kurz und sein Umfeld Ernst gemacht hat, springen einem von T-Shirts, Tassen und Taschen seltsame Liebesbekundungen entgegen: »I love WKStA.« Die WKStA dient nicht nur Liberalen, sondern auch Linken wegen der eigenen Macht- und Ratlosigkeit als Projektionsfläche. Zugleich offenbart ihre Anbetung die Sehnsucht nach einem ehrlichen und sauberen Politikgeschäft sowie nach Staatsapparaten, die den Bruch mit den Regeln eines solchen Politikgeschäfts verfolgen und bestrafen.

Spätestens seit Bekanntwerden der skandalösen Chat-Protokolle keimt die Hoffnung, dass die Justiz die konservativen und rechtspopulistischen (Ex-)Führungsfiguren des Landes entmachten bzw. sanktionieren wird. Angesichts der selbst für österreichische Verhältnisse plumpen Interventionen und der Schamlosigkeit war diese Hoffnung – gepaart mit der Schadenfreude über patscherte Parteichefs, Generalsekretäre und Meinungsforscherinnen – nachvollziehbar. Die ÖVP-Angriffe auf die WKStA häuften sich, je länger und konsequenter diese ermittelte, und sie zeigten nicht nur die autoritäre Seite der Türkisen, sie verstärkten auch die romantischen Gefühle mancher Linker für die Institution der Korruptions­jägerinnen und -jäger.

Viele davon scheinen vergessen zu haben, dass die Justiz ihrer gesellschaftlichen Funktion nach einer nachhaltigen und erfolgreichen Bekämpfung der herrschenden Politik langfristig wohl eher im Weg stehen wird. Die Vorstellung eines Politikbetriebs, der frei von Korruption ist, mag die Illusion eines fairen Wettbewerbs von Ideen, die sich in einem neutralen Raum gegenüberstehen, erwecken. Allein, ein solcher neutraler Raum existiert genauso wenig wie eine neutrale Justiz. Sie sorgt als Apparat des bürgerlichen Staates vor allem dafür, kapitalistische Herrschaft aufrechtzuerhalten.

So wie er die gleichen Voraussetzungen zwischen einzelnen Kapitalfraktionen und Eigentümern von Produktionsmitteln schafft, gilt es für den Staat als »ideellen Gesamtkapitalisten« auch zu verhindern, dass Cliquen und Clans, hierzulande als »Buberlpartien« bekannt, ihren narzisstischen Gelüsten nachkommen, die Macht an sich reißen und sämtliche Spielregeln brechen. Dass es dabei – wie im Fall der Ermittlungen der WKStA – oft jene trifft, die Linke ohnehin gerne hinter Gitter sehen wollen, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die bürgerliche Justiz keine Bündnispartnerin ist.

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