Total Refusal: Aufruf zum Glitch

von Margit Neuhold

»Bilder der Auseinandersetzung« 3|23. In Zusammenarbeit mit »Camera Austria International«

Still aus: Hardly Working, 2022. HD-Video (Farbe, Ton), 20’38’’.

Shooter-Games sind längst im Unterhaltungsmainstream angekommen. Die erschaffenen Welten sind hyperreal, die technologischen Möglichkeiten am Puls der Zeit, und die Narrative entsprechen einem hegemonialen gesellschaftlichen Konsens. Das Kollektiv Total Refusal, das für sich die Bezeichnung »pseudo-marxistische Medienguerilla« beansprucht, nimmt die politischen Konzepte hinter den Videogames ins Visier. Herausgestrichen wird, dass Shooter-Games die immer gleichen Grundnarrative und Heldentropen bedienen. In ihrer Arbeitsweise brechen Total Refusal (Susanna Flock, Adrian Jonas Haim, Jona Kleinlein, Robin Klengel, Leonhard Müllner und Michael Stumpf) die Regeln des Spiels, indem sie sich selbst in diese digitalen Räume begeben, in der Beobachterrolle protokollieren und den sozialen Raum stören.

In ihrem mehrfach ausgezeichneten 20-minütigen Film Hardly Working (2022) analysieren sie nicht die Rollen der Avatare, sondern jene der Non-Playable Characters (NPCs), also der Statistinnen, die die Videospiele bevölkern und Alltag suggerieren. In einem Tageszyklus des Spiele-Klassikers Red Dead Redemption 2 – angesiedelt im »Wilden Westen« des Jahres 1911, dessen Narrativ ein Feld zwischen Outlaws und Gesetzgeber, Rache und Gerechtigkeit aufspannt – trifft man hier etwa auf einen Zimmermann, der 120 Nägel in elf Stunden in immer die gleichen Stellen schlägt, oder auf einen betrunkenen Stallburschen, der einen bereits mit Wasser befüllten Eimer abermals mit Wasser befüllt und in einen Trog entleert – der seinerseits nie voll wird.

Das hier abgebildete Still zeigt eine Szene in einem ärmlichen Hinterhof. Am Lehmboden kniet eine Wäscherin, auf einem Stuhl an der Wand sitzt eine Frau, die strickt. In Hardly Working erzählt die Stimme aus dem Off über dieses Bild davon, dass die hier zu sehenden Körper austauschbar seien; Frauen aus ärmeren Schichten, die zu Hause oder als Sexarbeiterinnen arbeiten. Und sie fordert die Arbeit und Normalität repräsentierenden NPCs zu einem Streik auf, zu einer Störung des Algorithmus, zu einem Glitch – und die Betrachterinnen damit zu einer politischen Auseinandersetzung mit den virtuellen Kampfzonen.

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