Krieg ist
kein Verbrechen

von Benjamin Opratko

Allegorien aus dem Alltagsleben taugen nicht zur Beschreibung des Ukraine-Kriegs.

Es gibt viele Weisen, über Krieg zu schreiben. Hier ist eine: »Ja, die Stimmen starben schnell ab. Brauchst du bloß ein bisschen Rauch, bisschen Zermürbungsfeuer im Wäldchen, bisschen SPITAL. Schon kannst du nur noch Knack- und Zischlaute. Sonn­leithners Schädel Vorderseite klaffend wie schreiender Schimpanse. Von Weilich Bombentrichter Platzregen stocktaub nur noch gepresst sprechend: Lazarett. Einen Halm aus dem Ohr ziehen, Daumen abbrennen im Helm.«

Peter Bender, Protagonist in Clemens J. Setz’ jüngstem Roman Monde vor der Landung über einen irrlichternden Querdenker avant la lettre, erinnert seine Zeit im Großen Krieg sinnlich und synästhetisch. Bender überlebt knapp mit zerfetztem Kiefer, seine Kameraden bleiben in den europäischen Bloodlands liegen. Er ist leidenschaftlicher Anhänger alternativer Fakten, sein Lebensinhalt wird die Theorie, wonach die Erde hohl sei und wir auf ihrer Innenseite lebten. Aber selbst dieser Spinner kann über die Gewaltwahrheit des Krieges nicht hinweggehen, gewahrt angesichts der Kriegsbegeisterung der Nazi-Jugend in den 30er-Jahren, dass darin Leiber, Köpfe und Verstand kaputt geschlagen werden.

Hier sind andere Weisen, über Krieg zu schreiben: als Bankraub. Wenn einer eine Bank überfällt, sind die Angestellten dann auch »Beteiligte an einem Bankraub?«, fragte ORF-Anchorman Armin Wolf rhetorisch, weil er nicht verstehen konnte, weshalb man die Ukraine »Kriegspartei« nennt. Oder als Einbruch. Wenn ein Bösewicht in dein Haus eindringt, dann würdest du nicht mit ihm darüber verhandeln, ob er zumindest Hobbykeller oder Garage behalten dürfe. Oder als sexualisierte Gewalt: Wer die Vorgeschichte des russischen Angriffskrieges benennt, sei um nichts besser als ein schäbiger Sexist, der meint, die knappe Rocklänge des Opfers hätte wohl auch eine Rolle gespielt.

Die meisten von uns haben, ein Glück in der Geburtslotterie, keinen Krieg erlebt. An die Stelle von Erfahrung treten Allegorien aus dem Alltagsleben, die unmittelbar einleuchten und die eigene Positionsbestimmung erleichtern sollen. Sie sind völlig unbrauchbar, falsch, taugen nicht einmal als Vergleich.

Sie missverstehen Krieg, der im Kapitalismus enthalten ist wie der Regen in der Wolke (Jean Jaurès), als Ausbruch krimineller Energie. Sie tun so, als gäbe es einen Weltpolizisten, der den Verbrecher dingfest machen, und ein Weltgericht, das ihn aburteilen könnte. Sie legen nahe, dass es ums Prinzip gehe, nicht darum, das Töten zu beenden, dass Verhandlungen Kapitulation bedeuten und Erklärungen Rechtfertigungen. Es gibt viele Weisen, über Krieg zu schreiben, und manche sind schädlicher als andere.

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