Unter dem Hashtag #TechnoMeToo rief Frederika Ferková, Obfrau des Veranstaltungskollektivs Hausgemacht, vergangenen Juli zur vertraulichen Weitergabe von Erlebnissen struktureller Gewalt und Machtmissbrauchs in der Wiener Technoszene auf. Einige Wochen später legte Hausgemacht auf Instagram offen, mit wem man aufgrund wiederholter Vorfälle nicht mehr zusammenarbeite. Neben einer gerichtlichen Anklage gegen einen Wiener Clubbesitzer trat #TechnoMeToo innerhalb der »Szene« eine Welle des empörten Instagram-Aktivismus los.
Abseits von Solidaritätsbekundungen und politischen Tanzdemos wurde im Nachgang vor allem klar, wie sich antifeministische Tendenzen mit kapitalistischen Interessen und neoliberaler Selbstinszenierung vermischen. Dadurch wurden einmal mehr Ambivalenzen innerhalb einer augenscheinlich progressiven Kulturszene wie der Club-Branche sichtbar. Das Kernproblem, dass sich die Besitzverhältnisse in der Szene weiterhin auf sexistische Enteignung stützen, bleibt jedoch meist ein blinder Fleck.
#MeToo hat sich erstmals 2017 in das kollektive Gedächtnis eingebrannt, als im Zuge des Weinstein-Skandals viele Frauen via Social Media ihre Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt teilten. Die Regisseurin Katharina Mückstein konfrontierte 2022 unter diesem Hashtag dann auch die österreichische Filmbranche mit Fällen von Machtmissbrauch und Gewalt – eine Debatte, die als #TechnoMeToo zuletzt das Wiener Nachtleben erreichte.
Was diese Milieus gemeinsam haben – übrigens auch mit übergriffigen Verbandschefs von Frauenfußballnationalteams –, ist die »toxische Männlichkeit, die sie in strukturell unterschiedlichen Formen hervorbringen«, so Regula Stämpfli, Politphilosophin und Leiterin der Hannah Arendt Lectures. Und während »die Szene« als demokratischer Raum in keinem der Fälle je existiert hat, so ist es wichtig, sie im Kampf für einen solchen Raum zu benennen. »Wenn du einfach nur sagst, es sei das Patriarchat schuld und das gäbe es ja überall, dann nimmst du den spezifischen strukturellen Milieus, die spezifische Formen von #MeToo hervorrufen, die Schlagkraft«, so Stämpfli, denn: Wenn alle schuldig seien, sei niemand verantwortlich. Es gehe aber um die Techno-Szene, genauso wie es um Klassik-Szene oder die Schlager-Szene gehe.
Ob man im Falle der Clubszene aufgrund der Vielzahl der dort versammelten Genres nicht besser von einem #ClubMeToo sprechen sollte, wird szeneintern debattiert. Fakt ist, dass #MeToo in der österreichischen Kulturbranche gerade erst mit dem Aufmischen begonnen hat, auch wenn manche Protagonisten vielleicht glauben, dass sie sich mit Wokewashing den Dreck von den Händen gewaschen hätten und die Sache damit erledigt wäre.
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