Emanzipation vom
literarischen Kolonialismus

von Helmut Neundlinger

Mohamed Choukris autobiografische Werke gelten als Meilensteine der postkolonialen Literatur aus dem nordafrikanischen Raum. Aus Anlass des 20. Todestages des Autors sind sie neu aufgelegt worden.

Die Autobiografie des aus einer Berberfamilie aus dem marokkanischen Rif-Gebirge stammenden Autors Mohamed Choukri (1935–2003) ist weitaus mehr als ein Lebensbericht. Choukri erzählt in zwei Büchern von seinem Aufwachsen unter den Bedingungen des täglichen Überlebenskampfes, begleitet von Hunger, Gewalt, Ausbeutung und Aussichtslosigkeit. Der Ton der Erzählung ist oft schonungslos direkt, ohne in Larmoyanz oder Opferpathos zu verfallen. Choukris Sprache vermittelt auch in der deutschen Übersetzung von Georg Brunold eine poetische Kraft, die auch gut 50 Jahre nach der ersten Niederschrift nichts von ihrer Wucht verloren hat. Die Wirkungsgeschichte der beiden Teile Das nackte Brot und Zeit der Fehler ist ebenso global wie einzigartig, und das nicht nur aufgrund der Tatsache, dass Choukri erst im Alter von 21 Jahren schreiben und lesen lernte. Zum 20. Todestag des Autors hat der Verlag Die andere Bibliothek beide Bücher in einer bibliophilen Ausgabe wieder aufgelegt und leistet damit einen Beitrag zur Debatte um autobiografische bzw. autofiktionale Texte, vor allem von Autorinnen und Autoren, deren Weg zum Schreiben von ihren Herkunftsmilieus in keiner Weise unterstützt wurde.

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