Berufswunsch Partisanin

von Andrea Heinz

499 wörter
~2 minuten
Berufswunsch Partisanin
Maruša Krese
Trotz alledem
Aus dem Slowenischen von Liza Linde, S. Fischer, 2023, 256 Seiten
EUR 23,50 (AT), EUR 22,00 (DE), CHF 30,50 (CH)

Bewegt ist ein viel zu schwaches Wort für die Familiengeschichte von Maruša Krese: Die Eltern, selbst fast noch Kinder, verteidigten als Partisan:innen in Josip Broz Titos Jugoslawischer Volksarmee Slowenien gegen die deutschen und italienischen Besatzer und wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zu hochdekorierten Volksheld:innen, in einem noblen Wohnviertel einquartieren Funktionär:innen, lebenslang getrieben vom eigenen Pflichtbewusstsein und den oftmals erratischen Ansagen der Partei. Die Tochter, geboren als erstes von drei Kindern 1947 in Ljubljana, hatte die Eltern kaum je für sich allein, immer waren sie umgeben, regelrecht eingekreist von ehemaligen Mitstreiter:innen, von Bewunderern und Bittstellerinnen. So erzählt sie es in ihrem bereits 2012 im Original erschienenen Debütroman Trotz alledem – es sollte auch ihr letzter Roman sein, 65-jährig starb sie 2013 in Ljubljana.

Man versteht, dass Krese, die bereits zuvor vielfach als Lyrikerin, Autorin von Kurzgeschichten und als Journalistin in Erscheinung trat und 1997 mit dem deutschen Bundesverdienstkreuz für ihr humanitäres Engagement im Bosnienkrieg ausgezeichnet worden war, ein Leben lang für diesen Roman gebraucht hat. Denn auf diesen mehr als 200 Seiten, die die Geschichte ihrer Familie von 1941 bis ins Jahr 2012 erzählen, schlüpft sie, durchgehend im Präsens und aus der Ich-Perspektive, buchstäblich in die Haut ihrer Eltern. Wenig scheint in den Nachkriegsjahren vor dem Kind, das lange Zeit »Partisanin« als Berufswunsch hatte, verborgen worden zu sein, wenig scheint aber auch direkt mit ihm gesprochen, ihm erklärt worden zu sein. Und doch ist Kreses Imagination erstaunlich treffsicher, wundern sich Veteran:innen, wie sie denn davon habe wissen können: dem Hunger, Schlafentzug, der Kälte und Angst in den Wäldern Jugoslawiens, gleichzeitig aber dem Zusammenhalt besonders der zahlreichen, Misogynie ausgesetzten Partisaninnen, der Hoffnung, die alle gemeinsam durch die kaum vorstellbare Härte dieser Jahre trug. Es folgen Befreiung und Frieden, aber das, worauf man so lange gehofft hatte: Es kommt nicht. Geduld, noch ein wenig Geduld, vertröstet die kommunistische Führung. Viel zu rasch aber zeigt sich, dass das neue Leben zwar – zumindest für die Kader, der Rest des Volkes darbt weiterhin – einen gewissen Luxus und Annehmlichkeiten bereithält, dafür aber Werte und Ideale zunehmend von hohler Ideologie und Machtspielen aufgefressen werden.

Das Buch erzählt, wie zahlreiche Romane vor ihm, die Geschichte des slowenischen Partisanenkampfes. Daneben reiht es sich aber auch ein in die zahlreichen Erzählungen vererbter Traumata aus dem Zweiten Weltkrieg, die sich in diesem Fall wohl auch in den knappen Andeutungen der gescheiterten Beziehungen Kreses erkennen lassen – Ilma Rakusa und Sohn Jakob gehen in ihrem informativen, feinfühligen Nachwort etwas ausführlicher darauf ein. Krese dagegen findet, treffsicher aus dem Slowenischen übertragen von Liza Linde, ihren ganz eigenen, oft knappen und direkten Tonfall für diese Geschichte. Manch historische Details muss man unter Umständen nachschlagen, so wenig hält die Autorin sich mit derlei Dingen auf. Das wirklich Wichtige aber, die Menschen und was der Krieg mit ihnen macht, wird in jeder Zeile dieses unbedingt empfehlenswerten Buches spürbar.

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