Arbeit entbinden

von Sebastian Schmidt

Olga Ravns Antiroman »Meine Arbeit« ist nicht nur ein aufrüttelndes Zeitzeugnis, sondern verwebt die großen Themen Schreiben und Elternschaft zu einer ganz und gar untheoretischen, radikalen Literatur.

Wer die dänische Autorin Olga Ravn kennt, weiß, dass ihre Auseinandersetzung mit dem Thema Arbeit in außergewöhnliche Literatur mündet. Man kann ihren Roman Die Angestellten, der vor etwa einem Jahr im März-Verlag in deutscher Übersetzung erschienen ist, als eine gelungene Vorübung für ihr neues grandioses und zerstörerisches Buch über das Wesen von Mutterschaft und Autorinnenschaft, Meine Arbeit, sehen. So stellt die Autorin nicht nur die Gretchenfrage: Ist Sorgearbeit Arbeit?, sondern nähert sich dem Arbeitsbegriff vor allem jenseits der monetär geprägten Debatte ganz ästhetisch und bietet uns damit den höchsten Wert, den wir uns von Literatur als solcher erhoffen.

Gleich zu Beginn stellt uns Olga Ravn vor ein Vexierspiel zwischen Autobiografie und Autofiktion. Die namenlose Ich-Erzählerin schlägt uns eine Vereinbarung vor, der wir natürlich zustimmen: Nicht sie sei es, die dieses Buch geschrieben habe, sondern ein ganz anderer, ein fiktionaler Parallelcharakter – Anna, deren Aufzeichnungen sie kurz nach der Geburt ihres Kindes gefunden habe, jetzt mache es sich die Erzählerin zur Aufgabe, diese zu ordnen. Anna ist ein Alter Ego und, das erfahren wir später, entstand aus einem Mangel an Kraft während der Sorge um das Kind und um sich selbst. Über die Geburt ihres Kindes schreibt die (Über-)Ich-Erzählerin: »Ich blutete weg, ich verschwand. Ich nannte dieses Verschwinden Anna.« Fortan lesen wir also von zwei Personen, wenngleich Anna die Protagonistin des Buches bleibt.

Zur Handlung möchte man zunächst wie gewohnt schreiben: Anna und Aksel bekommen ein Kind. Aber das stimmt natürlich nicht, denn das Kind bekommt Anna allein. Es ist ihr Körper, der es hervorbringt. Auf ihr allein lasten die Ratschläge, Tipps und Kommentare über das Baby, Aksel wird nur selten angesprochen. Sie ziehen nach Schweden und zurück nach Dänemark, wo Anna, die sich zuvorderst als Schriftstellerin begreift und darin ihre eigentliche, ihr innewohnende Arbeit versteht, später des Geldes wegen einen Job in einem Verlag antritt. Aksel hat nach wie vor verschiedene Aufträge an Theatern und ist manchmal für ein paar Tage unterwegs. So weit das Setting.

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