Fabrik für die Zukunft

von Anna Leder

Illustration: Dani Maiz

Nahe Florenz sorgt die Besetzung einer Fabrik eines ehemaligen Autozulieferers für Aufsehen. In diesem Arbeitskampf verschmelzen gewerkschaftliche und autonome Organisationsformen.


1998 wörter
~8 minuten

Als die 500 Arbeiter in der Fabrik des ehemaligen Autozulieferbetriebs GKN (Guest, Keen and Nettlefolds) bei Florenz am 9. Juli 2021 von ihrer Entlassung erfuhren, waren sie überrascht, aber nicht unvorbereitet. Schließlich lautet das Motto des Private-Equity-Fonds Melrose, der GKN 2018 übernommen hatte: »Buy, Improve, Sell«. Die GKN-Fabrik in Campi Bisenzio, knapp 15 Kilometer von der Hauptstadt der Region Toskana entfernt, war auf die Herstellung von Komponenten für Luxusmarken wie Maserati, Ferrari und Ducati spezialisiert. Entschlossen, die Schließung nicht einfach hinzunehmen, entschieden sich 400 der ausschließlich männlichen Beschäftigten noch am Tag der Entlassung zur Besetzung der Fabrik, obwohl Werkschutz und Polizei dies noch zu verhindern versuchten. Sie wählten das Motto »Insorgiamo« (Dt.: »Erheben wir uns«), inspiriert von den früheren antifaschistischen Partisan:innen der Region.

Nun steht die Fabrik seit Juli 2021 unter der Kontrolle der Belegschaft – damit handelt es sich um die längste Fabrikbesetzung der Geschichte Italiens. Aber nicht nur das: Man setzt sich für eine sozial und ökologisch sinnvolle Fortführung der Produktion ein, aus dem Kampf gegen die Kündigungen ist ein Labor für eine nachhaltige Transformation entstanden. Auf diese Weise entwickelte die Besetzung politische Strahlkraft, bald gab es zahlreiche Solidaritätsbekundungen, im Sommer 2021 nahmen an einer Demonstration in Florenz über 40.000 Menschen teil. Schnell knüpften die Besetzer Kontakte zur damals noch jungen Klimabewegung, im September 2021 nahmen sie am Klimastreik teil und beteiligten sich an den Protesten gegen die Erweiterung des Flughafens sowie den Autobahnausbau. Die besetzte Fabrik wurde in der Folge zu einem Zentrum politischer Debatten und lokaler Organisierung, und als im vergangenen November große Teile der Toskana unter Wasser standen, war sie zudem Dreh- und Angelpunkt für gegenseitige Hilfe angesichts der Flutkatastrophe.

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