Patriarchat stützen
von Sonja Luksik
EUR 23,50 (AT), EUR 22,00 (DE), CHF 30,50 (CH)
»Toxische Beziehungen«, »toxische Menschen« und »toxische Männlichkeit« sind Begriffe, die in den letzten Jahren vermehrt Eingang in den Wortschatz junger Feminist:innen (medial häufig als »woke Generation Z« bezeichnet) gefunden haben. Man möchte meinen: Es war nur eine Frage der Zeit, bis eine Vertreterin dieser Gen Z einem weiteren Substantiv ein »toxisch« voranstellt und darüber ein Buch schreibt. Die Autorin Sophia Fritz macht es der skeptischen Leserin nicht leicht, an dieser Voreingenommenheit festzuhalten, geht sie doch gleich zu Beginn mit ihrem Konzept der »toxischen Weiblichkeit« selbstkritisch ins Gericht: Verleitet es zu missverständlicher Rezeption, geht es am eigentlichen Zweck vorbei, oder ist es gar überflüssig?
Jedenfalls soll es nicht der Beschämung von Frauen und der Verurteilung ihres Rückgriffs auf »toxisch weibliche« Verhaltensmuster dienen. Fritz will vielmehr aufzeigen, wie Frauen Strategien anwenden, die ihr Überleben und ihre Anerkennung im Patriarchat ermöglichen; und damit gleichzeitig zum Fortbestehen des herrschenden Systems beitragen. Skizziert werden fünf Ausprägungen von toxischer Weiblichkeit, die zugleich die Kapitelstruktur bilden: »das gute Mädchen«, »die Powerfrau«, »die Mutti«, »das Opfer«, »die Bitch«.
Sie wolle es selbst allen recht machen und möglichst wenig Probleme bereiten, sei es in Partnerschaften, Freundschaften oder am Arbeitsplatz, gesteht die Autorin: »Manchmal habe ich das Gefühl, von keiner Beziehung so beschädigt worden zu sein wie von der Konditionierung, ein gutes Mädchen sein zu müssen.« Eigene Erfahrungen, Beobachtungen und Selbstreflexionen verknüpft Fritz gekonnt mit feministischer Analyse und Literatur, etwa mit dem überragenden, vor zwei Jahren erstmals auf Deutsch erschienenen Buch Männer, Männlichkeit und Liebe: Der Wille zur Veränderung von bell hooks. Mit welch scharfem Gegenwind aus den eigenen Reihen jene Feministinnen, die die politische (Mit-)Verantwortung von Frauen für das Aufbrechen von Geschlechternormen betonen, zuweilen konfrontiert sind, wird darin anhand der zweiten Frauenbewegung aufgezeigt.
Auch heute mag manchen ein Essay wie Toxische Weiblichkeit provokant erscheinen; wird der Vorstellung, aufgrund der eigenen Identität oder Diskriminierungsbetroffenheit automatisch auf der »richtigen« und damit emanzipatorischen Seite der Geschichte zu stehen, doch eine eindeutige Absage erteilt. So ist auch die uneingeschränkte, kritiklose Unterstützung von Frauen, nur weil sie Frauen sind, kein feministischer Akt per se, denn »Frauen können mit dem patriarchalen Denken und Handeln genauso verheiratet sein wie Männer« (bell hooks). Abseits von Ansprüchen ständiger Selbstoptimierung und Selbstgeißelung zeichnet Sophia Fritz nach, wie und warum Frauen das Patriarchat, anstatt es zu stürzen, stützen können.
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