Friede, Freiheit, Bentham

von Richard Schuberth

Illustration: Dani Maiz

Über die politische Verortung des englischen Dichters Lord Byron innerhalb der ideologischen Strömungen im England seiner Zeit. Ein Vorabdruck aus Richard Schuberths neuem Buch »Lord Byron, der erste Anti-Byronist«.


2443 wörter
~10 minuten

»Freihandel ist Jesus Christus, und Jesus Christus ist Freihandel.« – Sir Joseph Bowring

Joseph Bowring, eine ebenso ehrgeizige wie zwielichtige Figur, war nicht nur führendes Mitglied des London Greek Committee, sondern Sekretär und zweite Hand des Utilitaristen und Freidenkers Jeremy Bentham, eines der einflussreichsten Intellektuellen seiner Zeit. Bowring korrespondierte auch mit Byron, der der Fraktion der Radicals, welche im Griechenkomitee ihre Aktionsbasis gefunden hatten, misstraute. Auch der betagte Bentham konnte als Mitglied gewonnen werden. Bentham war auf dem Kontinent und in beiden Amerikas populärer als in England, seine Anhängerschaft glich einer Sekte. Mit Oberst Leicester Stanhope wurde Byron in Griechenland als Agent ein leidenschaftlicher Benthamit zur Seite gestellt, der zu Byrons Erstaunen die griechische Unabhängigkeit mit Bildung, Druckerpressen und seines Lehrers Prinzip des größten Glücks der größten Zahl (the greatest happiness of the greatest number) zu erringen gedachte. Nur eine Frage der Zeit war es, bis Byron seinen Spott nicht länger zügeln konnte und Witze über Bentham machte, dessen Theorien er freilich nicht kannte. Außer dessen Konzept des panoptischen Gefängnisses, und das reichte aus, um diesem Herren nicht besonders gewogen zu sein.

Byron besaß einen guten Instinkt für Widersprüche in Handeln und Denken der Menschen, er hatte jedoch nicht das theoretische Rüstzeug und den politischen Verstand, sein Misstrauen auf ein theoretisches Fundament zu stellen. Wenngleich Marxens Häme gegen den philanthropischen Utilitaristen bisweilen ungerecht war, die er auf die vielzitierte und wenig verstandene Formel »Friede, Freiheit, Bentham« brachte, wussten er und Engels durchaus die Verdienste dieses produktiven Mannes anzuerkennen.

Das größte Glück der größten Zahl. Dem romantischen Individualismus war insbesondere in Großbritannien der Individualismus des freien ökonomischen Akteurs vorausgegangen. Wie aber sollte man Glück resp. Freude und Leid definieren? Und wie ließe sich der Nutzen der Freude des Einzelnen auf die Gesellschaft übertragen? Jeremy Bentham überraschte 1789 die Welt mit einem einfachen Kalkulationsschlüssel, wie sich das liberale Elysium der Glückseligkeit der größtmöglichen Zahl aufschließen ließe:

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