Der heutige Tag ist eine düstere Erinnerung an das kollektive Versagen der sri-lankischen Behörden und der internationalen Gemeinschaft, den vielen Opfern des bewaffneten Konflikts in Sri Lanka Gerechtigkeit widerfahren zu lassen«, sagt Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International, in der prallen Sonne am Strand von Mullivaikkal. Hier im Nordosten Sri Lankas steht sie Mitte Mai inmitten tausender Überlebender und Angehöriger. Dicht gedrängt und in Weihrauch gehüllt gedenken sie in einer gemeinsamen Zeremonie ihrer Toten und Verschwundenen. Ob Callamards Anwesenheit den ungestörten Ablauf der Zeremonie erklärt? Vielleicht. An dutzenden anderen Orten im tamilisch besiedelten Norden der Insel hatte die Polizei jedenfalls in den Tagen zuvor Kundgebungen und Gedenkfeiern verhindert, vereinzelt wurden Mütter von Verschwundenen verhaftet.
Vor 15 Jahren fand genau an diesem schmalen Küstenstreifen der fast drei Jahrzehnte währende Krieg zwischen dem sri-lankischen Staat und der bewaffneten tamilischen Organisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) sein blutiges Ende. Eine monatelange, gnadenlose Militäroffensive der singhalesischen Armee gegen das tamilische Siedlungsgebiet endete im Mai 2009 in Mullivaikkal im Bezirk Mullaitivu mit der wiederholten, systematischen Bombardierung der dritten und letzten, zuvor von der Regierung ausgerufenen »No Fire Zone«. Auf einem Strandabschnitt von nur zwei mal zehn Quadratkilometern wurden etwa eine halbe Million Zivilist:innen zusammengepfercht und aus der Luft, vom Boden und vom Meer aus beschossen und bombardiert, bis sich die letzten LTTE-Kämpfer:innen entschlossen, den Kampf einzustellen und somit dem Morden ein Ende zu setzen. Von den Tausenden, die unter weißer Flagge und internationaler Beobachtung kapitulierten und in Busse der sri-lankischen Armee stiegen, fehlt bis heute jede Spur. Fotografien und spätere Leichenfunde deuten darauf hin, dass sie Opfer extralegaler Tötungen wurden.
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