Käthe Leichter: Zwischen Wissenschaft und Widerstand

von Andreea Zelinka

Fotos: Manuel Domnanovich

Eine Sonderausstellung im Waschsalon im Wiener Karl-Marx-Hof erinnert an Käthe Leichter, die vielleicht wichtigste Sozialdemokratin und Sozialforscherin der Ersten Republik.


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Käthe Leichters Geburtstag jährte sich heuer zum 130. Mal, und nächstes Jahr feiert das Frauenreferat der Arbeiterkammer (AK) ihr 100-Jahr-Jubiläum – eine gute Gelegenheit, die Pionierin der österreichischen Sozialforschung zu würdigen: Am 5. September eröffnete die Sonderausstellung Käthe Leichter und die Vermessung der Frauen im Waschsalon Nr. 2 im Karl-Marx-Hof in Wien-Döbling.

Hinter der Ausstellung steht das EhepaarLilli und Werner Bauer. »Was mich vor allem an Käthe Leichter fasziniert«, sagt Werner Bauer, »ist ihr methodisches Vorgehen.« 1895 geboren, wurde Leichter nach dem Studium der Staatswissenschaften und der Tätigkeit in der Staatskommission für Sozialisierung als Mitarbeiterin des stellvertretenden SDAP-Vorsitzenden Otto Bauer 1925 die erste Leiterin des Frauenreferats der Wiener AK. Dort initiierte sie Studien zur Lebens- und Arbeitsrealität von Frauen, um politische Forderungen mit statistischen Erkenntnissen zu untermauern. Sie ließ Frauen aus ihrem Leben erzählen und entwickelte so ein tieferes Verständnis dafür, wie sich das Arbeitsleben mit Bereichen wie der Gesundheit und dem Privaten verschränkte.

Unverzichtbare Studien

Leichter verfasste einige Studien, die bis heute als unverzichtbare historische Quellen zum Thema Frauenarbeit gelten. Darunter »Das Handbuch der Frauenarbeit«: 700 Seiten gefüllt von 60 Autorinnen, die unter anderem aus der Metall-, Tabak-, Textil- und Landarbeit berichteten, aber auch von den Arbeitsbedingungen als Handels- und Bankangestellte, Lehrerin und Krankenpflegerin.

»Für die Frauen ist zu Hause nur Schichtwechsel«, meinte Leichter, nachdem sie erkannt hatte, dass nach der Lohnarbeit »ein zweiter Arbeitstag« auf die Frauen wartete, nämlich im Haushalt. »Leichters Forderung ›Gleicher Lohn für gleiche Leistung‹ ist eigentlich bis heute nicht umgesetzt«, urteilt Lilli Bauer, »das ist noch brandaktuell.«

Als Marianne Katharina Pick in eine wohlhabende jüdische Familie geboren, wurde Leichter durch die humanistische Bildung ihres Vaters geprägt, dieser lehnte jedoch ihre sozialdemokratische Haltung ab. »Der Vater hat die Revolutionäre von 1848 bewundert, aber weiter ging es bei ihm nicht. Käthe Leichter hat als junge Studentin ein kleines privates Bekenntnis zur Sozialdemokratie verschriftlicht und das in der väterlichen Bibliothek versteckt. Als es der Vater entdeckte, wurde er fuchsteufelswild«, erzählt Lilli Bauer.

Opposition zur Parteilinie

Die Ausstellung greift Momente auf, die bei Käthe Leichter Gefühle der Ungerechtigkeit auslösten. Etwa wie sie sich als Kind darüber wunderte, dass die Hausmeisterfamilie, die im Untergeschoss in ihrem Haus in Baden bei Wien wohnte, bei Hochwasser nicht zu ihnen ins Obergeschoss geholt wurde, sondern im Feuchten ausharren musste. Plakatwände mit Texten, Fotos und Dokumenten geben Einblick in Leichters Leben und basieren auf Material, das die Bauers mithilfe von Leichters Nachkommen in den USA sichten konnten. Die Ausstellung beginnt mit Leichters Herkunft und dem Familienleben, die Wand ist in einem zarten Graublau gehalten, angelehnt an Leichters Augenfarbe.

Weitere Plakatwände widmen sich etwa dem »Handbuch der Frauenarbeit« oder unter dem Titel »Käthe und die Partei« Leichters Weg zur Sozialdemokratie und deren linken Flügel. Obwohl sie bei Reden oft mit tosendem Applaus erhielt und Otto Bauer sie einmal als »einen der gescheitesten Menschen innerhalb der Partei« bezeichnete, kandidierte sie weder für den Nationalrat noch für den Wiener Gemeinderat. Gründe dafür waren laut Ausstellung wohl ihre Opposition zur Parteilinie sowie ein defensiver Antisemitismus innerhalb der Partei, der dazu führte, dass nicht allzu viele Juden und Jüdinnen höhere Ämter bekleideten.

Leichters Antifaschismus

Über ein Jahr hat das Ehepaar Bauer an der Ausstellung gearbeitet. Sie begannen dort, wo Leichters Leben endete. 2020 besuchte das Paar die Heil- und Pflegeanstalt Bernburg an der Saale, in der Leichter im Rahmen der Massenvernichtungsaktion »Sonderbehandlung 14 f 13« von den Nationalsozialisten ermordet wurde.

»Da standen wir in diesem kleinen, schmucklosen, banalen Raum. Jetzt im Nachhinein ist das für mich sehr berührend, denn das war das Letzte, was sie gesehen hat«, erzählt Werner Bauer. Zeit ihres Lebens fand Käthe Leichter deutliche Worte zum Faschismus. »Wenn sie schreibt, dass der Faschismus die Herrschaftsform des Großkapitals ist, aber die Träger, die ihm zur Macht verhelfen, sind radikale Kleinbürger und deklassierte Mittelschichten, deren reaktionären Instinkten man entgegentreten müsse – das trifft heute auch noch zu«, meint Lilli Bauer.

Die Ausstellung läuft bis zum 1.3.2026.

Das Rote Wien im Waschsalon
Waschsalon Nr. 2, Karl-Marx-Hof
Halteraugasse 7, 1190 Wien

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